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Medizin 579
Viperntraktat
Colombo,
Blatterntraktat
ner jener Zeit, der einer Nebenlinie der Wittelsbacher entstammende Fürstbischof
von Osnabrück und Regensburg, Franz Wilhelm von Wartenberg (1593–1661), zu
seinem Leibarzt ernannte. In seinen medizinischen Ansichten war Gislimbertus,
der sich seiner Erfahrung auf dem Gebiet der Chirurgie rühmte, ein orthodoxer
Galeniker. Bei der Veröffentlichung seiner Werke pflegte er stolz auf seine Herkunft
zu verweisen und sich auf den Titelblättern als Tridentinus zu bezeichnen. Nach
dem Tod seines Herrn verlieren sich Gislimbertus’ Spuren.
Gegen Ende seines Dienstes in Regensburg widmete Gislimbertus dem Brix-
ner Bischof Anton von Crosini die Neuausgabe seines zuerst 1567 im Osnabrück
erschienenen Brevis tractatus, quo pulvis viperinus a quadam contracta calumnia li-
beratur („Kurze Abhandlung, durch die das Vipernpulver von einer gewissen ihm
anhaftenden Verleumdung befreit wird“ ; Regensburg 1660). Vipernfleisch und Vi-
pernpulver (pulverisiertes getrocknetes Vipernfleisch) fanden seit der Antike in der
Medizin Verwendung. Besonders wichtig waren sie bei der Herstellung des kost-
baren, als präventives Gegengift verwendeten Theriaks. Aufgrund der ebenfalls seit
der Antike verbreiteten Vorstellung, der Verzehr von Vipernfleisch sei förderlich
für ein langes Leben, wurde es im 18. Jh. zum begehrten Mittel zur Bewahrung
der weiblichen Schönheit, ja sogar zum Wundermittel, das Verjüngung versprach.
Der erste Teil der Schrift (1–5) versucht die verbreitete Meinung zu widerlegen, nach
welcher Vipernfleisch und Vipernpulver Aphrodisiaka seien, um so die moralischen Be-
denken, die Patienten bei der Anwendung der wertvollen Heilmittel haben könnten, zu
zerstreuen. Seine Behauptungen stützt Gislimbertus einerseits auf das Fehlen der üblichen
Charakteristika von Aphrodisiaka bei Vipernfleisch und -pulver, andererseits auf die Wir-
kung Letzterer bei der Behandlung von Krankheiten, die der von Aphrodisiaka entge-
gengesetzt sei. Im zweiten Teil (5–21) werden die Eigenschaften der besagten Substanzen
im Sinne der galenischen Lehre von den vier Qualitäten untersucht. Entgegen der Mei-
nung der meisten medizinischen Schriftsteller seiner Zeit behauptet Gislimbertus, dass
Vipernfleisch von seiner Wirkung her warm und keinesfalls kalt sei. Nach einer Klärung
der Begriffe widmet er seine Aufmerksamkeit den wenigen Aristoteles- und Galenstellen,
auf welche die falsche Meinung anderer zurückgehe, und zeigt, dass diese auf einer Über-
interpretation der Stellen beruhe, die durch den Wortlaut des Textes nicht gedeckt werde.
Zahlreiche zeitgenössische und ältere Autoren werden zitiert, um seine Behauptung zu
untermauern.
Die kurze, nicht gedruckte und nur als Autograph erhaltene Schrift Opinio ac praxis
Columba in variolarum curatione („Colomb’sche Meinung und Vorgangsweise bei
der Heilung von Blattern“ ; ÖNB, Cod. 1162) steht in Zusammenhang mit dem
Tod des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand Karl. Ihr Autor, Alessandro
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593