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580 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Sprache und Stil Colombo, diente im Lauf seines Lebens als Protomedicus dem Trientner Bischof
Kardinal Carlo Emanuele Madruzzo, als Rat und Kammerarzt dem bayerischen
Kurfürsten Maximilian
I. bzw. seinem Sohn Ferdinand Maria und als Leibarzt dem
Tiroler Landesfürsten Ferdinand Karl. Nachdem Ferdinand Karl 1662 in Kaltern
an den Blattern gestorben war, machte Leopold I. Colombo zum Leibarzt des kai-
serlichen Paares. In seiner Heimatstadt Trient war er ein hochangesehener Bürger,
der es fünfmal zur Konsulwürde brachte.4
In einer Anrede an den Kaiser wird der Anlass der Schrift erklärt : Um sich für die erwie-
sene Gnade erkenntlich zu zeigen, will Colombo vor seinem Abgang vom Hof auf Auffor-
derung des Kaisers seine Vorgangsweise bei der Heilung der Blattern mitteilen, die er auch
beim Tod Ferdinand Karls vorgeschlagen hatte, aber nicht hatte anwenden können, da er
nicht zugegen gewesen war (Bl. 2r). Nachdem er die Ursachen von Blattern und Masern
kurz genannt hat (während der Schwangerschaft infiziert die Unreinheit im Blut der Mut-
ter das Kind, und diese schädliche Materie sucht sich irgendwann den Weg an die Ober-
fläche, d.h. die Haut) und bekräftigt hat, dass diese bis zu drei Mal im Leben auftreten
können (Bl. 2r–3r), widmet sich der Rest der Schrift ausführlich den Heilungsmaßnahmen
für einzelne Phasen und Varianten der Krankheit (Bl. 3r–7r). Colombo differenziert die
Behandlung auch je nach Alter der Patienten : So empfiehlt er für Kinder unter vier Jahren
die Anwendung von Schröpfköpfen, für Kinder unter vierzehn von Blutegeln, für ältere
Kranke einen Aderlass. Colombo beruft sich bei der Begründung der Maßnahmen verein-
zelt auf Hippokrates und Galen, meistens aber auf seine Erfahrung und die Heilerfolge,
die er mit den genannten Maßnahmen erzielt hat. Die vorgeschriebenen Medikamente
sind meist pflanzlicher Herkunft. Ausnahmen bilden Eidotter zur Verhinderung von Nar-
ben sowie die aus der Hofmedizin nicht wegzudenkenden Mittel Bezoarstein – steinähnli-
che Gebilde aus den Mägen von Wiederkäuern –, gemahlene Perlen und Edelsteine sowie
Goldblättchen.
Colombos Anweisung ist in einem sehr eigenwilligen, die Regeln der Gramma-
tik manchmal schlichtweg ignorierenden Lat. verfasst. Dies verwundert, da seine
zweite erhaltene Schrift (De facultatibus acidularum ; „Über die Wirkung von sauren
Bädern“) keine solchen Auffälligkeiten zeigt. Da letztere gedruckt vorliegt (Trient
1640), wurde sie vermutlich vor der Drucklegung korrigiert. Während die einlei-
tenden Teile umständlich formuliert sind, ist der Hauptteil des Blatterntraktates
klar und leicht nachvollziehbar. Da der primäre Adressat der Schrift der Kaiser war,
überraschen die vielen Abkürzungen in den Rezepten auf den ersten Blick. Es ist
4 Seine ärztliche Karriere ist nach den Angaben rekonstruiert, welche Colombo selbst in seiner Schrift
liefert. Näheres zu seinen Konsulaten bei Morizzo 1889, 56.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593