Seite - 40 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung40
Dicker besuchte von Oktober 1918 bis Juni 1919 Arnold Schönbergs „Seminar für
Komposition“72, in dem sie als Hauptgegenstand „Harmonielehre I“ und im Nebenge-
genstand „Analyse“ belegte.73 Der Kurs wurde in den Räumen der Schule von Eugenie
Schwarzwald im 1. Bezirk abgehalten.74
Das Seminar bei Schönberg besuchten ebenso MitschülerInnen Dickers und Singers
aus der privaten Kunstschule von Itten sowie Freunde und spätere AuftraggeberInnen,
wie die Komponisten Hanns Eisler (1898–1962) und Viktor Ullmann (1898–1944),
der Musiker Eduard Steuermann (1892–1964) sowie Alice Moller (1871–1962), Erwin
Ratz (1898–1973), Viktor Schlichter75 (1903–1986), Dolly Schlichter (1897–1948) und
Anny Wottitz.76
Für Singer, der seit 1915 Kriegsdienst leistete, dürfte Ittens ganzheitliche Unterrichts-
methode, die eine individuelle Selbstfindung und die Erziehung zum schöpferischen
Sein anstrebte, hoffnungsvoll und kraftspendend gewesen sein. Im Alter von 19 Jahren
rückte er im März 1915 als „Einj.[ährig] Freiwilliger zum Feldkanonen-Regiment 29
nach Oedenburg“ [heute Sopron, Ungarn] ein, „wurde zum F.K.R.28 transferiert und
dem Infanterie Reg.[iment] No. 4 zugeteilt“, mit dem er von Juni 1916 bis Ende 1918
im Feld war.77 Bereits im Juli 1916 schreibt er resigniert in einem Feldpostbrief an seine
Schulfreundin Margit Téry: „meine Lebens u. Zivilisationsbedürfnisse muss ich [...] ohne
Ausnahme vergessen“ [...] „Die Briefe sind das einzige [sic!] was hier Freude bereiten
kann.“78 Singer litt seit Dezember 1916, wie ein Entlassungsbefund an die k. k. Offiziers-
sammelstelle eines Arztes der „k. k. Klinik für Psychiatr. und Nervenkrankheiten“ belegt,
wald gab bei Franz Singer auch Buchbindearbeiten in Auftrag, für deren Ausführung Anny Wottitz
vorgesehen war. Siehe: UAKKA, Brief Franz Singer an Anny Wottitz, um 1923, Inv.-Nr. 13.741/10,
13.741/20. Der Besuch der „Schwarzwaldschen Schulanstalten“ von Singers Sohn Michael Peter ist
durch ein Zeugnis belegt. Siehe: AGS, Schulzeugnis von Michael Peter Singer, Schuljahr 1927/1928.
72 Scharenberg 2002, S. 145–152.
73 Ebd., S. 342.
74 Die „Schwarzwaldschen Schulanstalten“ befanden sich zunächst in der Wallnerstraße 9 und wurden
am 1. November 1914 in die Herrengasse 10 überführt. Siehe: Neue Freie Presse 1914, S. 9.
75 Viktor Schlichter wurde später Dirigent in Buenos Aires. Auskunft Iris Lindberg, E-Mail,
24.11.2017.
76 Scharenberg 2002, S. 324–327.
77 Franz Singer, Ansuchen um Verleihung der Befugnis eines Architekten, Lebenslauf, 31.7.1937,
Original: ÖStA/AdR HBbBuT BMfHuV Allg Reihe PTech Singer Franz Karl 08.02.1896 GZl.
71537/1937 Singer, Franz Karl, 08.02.1896, 1919–1938 (Akt (Sammelakt, Grundzl., Konvolut,
Dossier, File)). Kopie: AGS.
78 AGS, Feldpostbrief Franz Singer an Margit Téry, 13.7.1916.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482