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Die Zeit in Wien 41
an „Verstimmung, Angst [...], Erregungszuständen und Weinanfällen“.79 Dokumente aus
dem Kriegsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs legen nahe, dass Franz Singer sich
deshalb um Aufnahme als Maler in die Kunstgruppe des Kriegspressequartiers bemühte.
Auf einem handschriftlichen Schreiben vom Mai 1917 heißt es: „War bis zum 11.1.17
an der Front[,] dann bis zum 12. April im Spital u. habe bis zum 9. Mai Urlaub. Beim
Verlassen des Spitals erhielt ich ein ärztl. Zeugnis, nachdem ich Urlaub zu bekommen
habe, dann zu leichtem Dienst tauglich bin, später eventuell zu Ausbildungszwecken
beim Kader. Ich möchte nun am 9. V. nicht zum Kader einrücken, sondern für die
Dauer meiner Felddienstuntauglichkeit irgendeine Verwendung, wo möglich als Maler
bekommen. (Heeresmuseum, Kriegsgräberabtlg., Kriegsarchiv, Kriegspressequartier o.
sonst etwas ähnliches) [sic!].“80
Empfehlungsschreiben, die seine Begabung als Maler attestieren, zeigen Singers ausge-
zeichnete Kontakte. In den Akten des Kriegspressearchivs im Kriegsarchiv befinden sich
u. a. Schreiben des Kunsthistorikers Felix Braun (1885–1973), des Philosophen Oskar
Ewald (1881–1940), des Kunsthistorikers Hans Tietze (1880–1954), des Kunstkritikers
Arthur Roessler (1877–1955) sowie Schreiben von Alfred Roller, dem Direktor der Wie-
ner Kunstgewerbeschule, und sogar von Josef Hoffmann (1870–1956), der Singer am 8.
Mai 1917 bescheinigt: „Endesgefertigter bestätigt die Arbeiten des Herrn Franz Singer zu
kennen. Dieselben zeigen hohe künstlerische Qualitäten und würde daher seine Verwen-
dung im k. u. k. Kriegspressequartier sehr zu empfehlen sein.“81 Singers Wunsch wurde
vom Kriegspressequartier jedoch abgelehnt.82
Trotzdem gelang es Singer, sich parallel zum Kriegsdienst innerhalb der Wiener Kunst-
szene weiterhin zu vernetzen. Durch einen im Zuge der Recherchen neu aufgetauchten
Brief von Johannes Itten ist nun belegt, dass Franz Singer bereits 1917 engen Kontakt
79 Entlassungsbefund des Arztes Prof. Wagner v. Jauregg an die k. k. Offizierssammelstelle, 1917. Siehe:
ÖStA/KA FA AOK KPQ Akten 39 Kunstgruppe, KPQ-Mitglieder (Ansuchen um Aufnahme, di-
verse Personalunterlagen), Namen S, 1914–1918 (Karton (Faszikel)).
80 ÖStA/KA FA AOK KPQ Akten 39 Kunstgruppe, KPQ-Mitglieder (Ansuchen um Aufnahme, di-
verse Personalunterlagen), Namen S, 1914–1918 (Karton (Faszikel)).
81 Empfehlungsschreiben Josef Hoffmanns vom 8.5.1917. Siehe: ÖStA/KA FA AOK KPQ Akten 39
Kunstgruppe, KPQ-Mitglieder (Ansuchen um Aufnahme, diverse Personalunterlagen), Namen S,
1914–1918 (Karton (Faszikel)).
82 Im Schreiben der Kunstgruppe des Kriegspressequartiers an das Kommando des Ersatzbataillons
des k.u.k. Infanterieregiments 4 vom 21.6.1917 heißt es: „Der in den Stand des dortigen Ersatzba-
taillons gehörende Leutnant i. d. Reserve Franz SINGER (früher des k.u.k. Feldhaubitzregiments
Nr. 2) wolle verständigt werden, daß seinem Ansuchen um Einteilung als Kriegsmaler in die Kunst-
gruppe des Kriegspressequartiers nicht entsprochen werden kann.“ Siehe: ÖStA/KA FA AOK KPQ
Akten 39 Kunstgruppe, KPQ-Mitglieder (Ansuchen um Aufnahme, diverse Personalunterlagen),
Namen S, 1914–1918 (Karton (Faszikel)).
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482