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Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung54
nach als größten Teils unbegründet, vielfach stark übertrieben dar“152. Die Hochschule
für bildende Kunst gründete sich im Frühjahr 1921 neu und existierte fortan wieder
getrennt, aber unter demselben Dach weiter.153
Viele der Itten-SchülerInnen aus Wien schieden bereits während der ersten Semester
wieder aus dem Bauhaus aus. Einige wurden nach dem Vorkurs nicht aufgenommen,
aufgrund zu vieler Fehlstunden von der SchülerInnenliste gestrichen oder verließen das
Bauhaus aus eigener Entscheidung. Dicker und Singer gehörten mit der Beendigung
ihres Studiums 1923 zu den SchülerInnen der Wiener Gruppe, die am längsten am
Bauhaus studiert hatten. Ähnlich lange Studienaufenthalte können lediglich Richard
Winkelmayer, der bis zum Sommersemester 1923, Max Bronstein, der bis zum Som-
mersemester 1924 und Gyula Pap, der bis zum Wintersemester 1923/1924 am Bauhaus
studierte, vorweisen.154 Die Buchbinderin Anny Wottitz und der Silberschmied Naum
Slutzky betrieben nach Ablegen ihrer Gesellenprüfungen bereits eigene Werkstätten am
Bauhaus, Wottitz vom 23. September 1922 bis Mai 1923 und Naum Slutzky bis zum 1.
Januar 1924.155
Einige der ehemaligen Itten-SchülerInnen führten später Ittens lebensreformerische
Bestrebungen und kunstpädagogische Prinzipien weiter, indem sie selbst in diesen Be-
reichen tätig wurden. Ittens Ideal der Ganzheitlichkeit hatten sich Milan Morgenstern
und Franz Scala mit ihren heilpädagogischen und naturheilkundlichen Ausrichtungen
verschrieben. Morgenstern wurde in Wien Leiter der heilpädagogischen Abteilungen im
Kinderheim des Zentralkrippenvereins und des ersten öffentlichen Kinderkrankenins-
tituts.156 Nach seiner Emigration nach London 1938 entwickelte er pädagogisch wert-
volles Spielzeug für die britische Firma Abbatt Toys.157 Scala gründete in Wien 1926 eine
„Masdasnan-Lebensschule“, 1932 ein Diät-Restaurant und leitete 1946 ein Kurzentrum
in Schweden.158
Der Großteil der SchülerInnen widmete sich jedoch neben anderen beruflichen Tä-
tigkeiten der Kunstpädagogik. Téry-Adler gab von 1923 bis 1926 Kurse zur Bildbetrach-
tung für Laien und unterrichtete Kinder und Jugendliche nach der Itten-Methode in
152 ThHStA Weimar, Staatsministerium, Departement des Kultus Nr. 276, Bl. 146–155, in: Wahl 2009,
S. 32–33.
153 Ackermann 2009, S. 31.
154 Siehe Winkelmayer: Winkler 2007, S. 168–169. Siehe Bronstein: Winkler 2009, S. 256–257. Siehe
Pap: Winkler 2007, S. 168.
155 Siehe Slutzky: Joppien 1995, S. 8–10. Siehe Wottitz: Winkler 2008, S. 178.
156 Morgenstern veröffentlichte zusammen mit Helene Löw-Beer 1936 das Buch Heilpädagogische Pra-
xis. Methoden und Material.
157 Siehe: VAM 2017b.
158 BHA, Dokumentensammlung, Franz Scala, Mappe 1, Text von Siegfried P. Eder, Franz Johannes
Scala – 75.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482