Seite - 84 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Bild der Seite - 84 -
Text der Seite - 84 -
Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung84
das Kinderzimmer dem Bereich der Dame zugeordnet, was wiederum eine traditionelle
Auffassung nahelegt.
Außen springt der Eingangsbereich vor und das Flachdach ist im Bereich der zentralen
Wohnräume erhöht, wodurch sich eine abwechslungsreiche Gestaltung ergibt (Abb. 45).
Nur für diesen der vier Hausentwürfe entwickelten Dicker und Singer einen Farb-
gestaltungsentwurf (Abb. 46). Für das Speisezimmer und das Herrenwohnzimmer ist
ein Rotbraun-Ton, für das Damenwohnzimmer Blau, für das Herrenschlafzimmer Was-
sergrün, für das Damenschlafzimmer Hellblau, für das gemeinsame Wohnzimmer Vio-
lett, für das Kinderzimmer Rosa und für die Küche Rot vorgesehen. Inspirierend mag
hierfür der von Singer besuchte De Stijl-Kurs bei van Doesburg gewesen sein, in dem
farbig gestaltete Wohnhäuser niederländischer Architekten beispielsweise von J. J. P. Oud
(1890–1963) vorgestellt wurden. Aber auch Gropius’ Baubüro hatte bereits 1921/1922
Farbe zur Akzentuierung der Raumfolge beim Um- und Anbau des Stadttheaters in Jena
eingesetzt und Oskar Schlemmer ließ Foyer und Treppenhaus des Bauhausgebäudes mit
einer Wand- und Deckenflächen integrierenden Wandmalerei ausstatten.280
Bei einem weiteren Haus-Entwurf von Dicker und Singer befindet sich der Eingang an
der linken Seite, der in das gemeinsame zentrale Wohnzimmer führt (Abb. 47). Auf dieser
Seite ist auch das Kinderzimmer angeordnet. Auf der rechten Seite sind die Küche, die
Speisekammer und das Speisezimmer untergebracht. Der Hauptfassade gegenüberliegend
schließen sich zwei vom Wohnzimmer begehbare Flügel mit Damen- und Herrenwohnzim-
mer an, von denen wiederum die separaten, im Hauptraum untergebrachten Schlafzimmer
erreichbar sind. Auch hier zeichnen sich die Wohnräume außen durch eine leichte Erhö-
hung des Daches ab, wobei im Bereich des Badezimmers ein Satteldach zum Einsatz kommt
(Abb. 48). Die Hauptfassade ist durch zwei kleine gerundet ausgebildete Raumkomparti-
mente aufgelockert, in denen im Inneren ein WC und eine Treppe untergebracht sind.
Ein dritter Entwurf lässt einerseits an den Grundriss eines Kirchenschiffes und an-
dererseits an die kreuzförmigen Grundrisse aus dem Frühwerk Frank Lloyd Wrights –
beispielsweise das Haus für Ward W. Willets in Illinois von 1901 oder die Wohnhäuser
des Gebäudekomplexes für Darwin Martin in Buffalo von 1904 – denken (Abb. 49–50).
Beide sind in dem von Gropius studierten Buch Frank Lloyd Wrights Ausgeführte Bauten
und Entwürfe281 abgedruckt. Wie bei den vorherigen Hausentwürfen ist auch bei diesem
Plan das Dach im Bereich der drei zentral angeordneten Wohnzimmer erhöht (Abb. 51).
In den seitlich auskragenden Gebäudeteilen befinden sich das Kinderzimmer, das Speise-
zimmer, die Küche und das Badezimmer.
280 Winkler 1994, S. 298.
281 Wright 1986. Zu den genannten Häusern siehe: Tafel XXV., S. 37, Tafel XXVI., S. 38, Tafel XXXII.,
S. 48.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482