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Berufliche
Anfänge94
u. wahrscheinlich auch in der technischen Einrichtung solcher Werkstätten hervorrufen.
Daher habe ich mir auch die Mitarbeit eines gerade in dieser Hinsicht sehr tüchtigen
Maschineningenieurs gesichert (Hubert Isepp20); den kaufmännischen Teil wird auch ein
Freund von uns leiten (Erwin Ratz). In Bezug auf architektonische Arbeiten denke ich
natürlich nicht nur an Einzelarbeiten, sondern hauptsächlich an Siedlungsbauten u. Ähn-
liches. Doch dürfte das in der nächsten Zeit noch nicht in Frage kommen.“21
Mit den Werkstätten wurde – wie mit dem Namen Werkstätten bildender Kunst un-
missverständlich zum Ausdruck kommt – eine künstlerische Ausrichtung verfolgt. Di-
cker und Singer strebten demzufolge nicht die neue Ausrichtung an, die am Bauhaus ab
1923 „Kunst und Technik – eine neue Einheit“22 lautete, sondern setzten weiterhin den
Leitsatz des frühen Bauhauses fort, bei dem das künstlerische, handwerklich gefertigte
Einzelstück im Vordergrund stand.23
Für Singer war ähnlich wie in Gropius’ Bauhaus-Manifest das Ziel der „Einzelarbei-
ten“ die Architektur. Die Wichtigkeit der künstlerischen Arbeit verdeutlicht sich auch
in der geplanten Arbeit für das Theater. In diesem Zusammenhang schreibt er in seinem
Brief an Viertel auch von Oskar Schlemmer: „Er hat ein Ballett gemacht, ganz anders als
der jetzt übliche Tanz, mit starren Kostümen. Dieses möchte ich übernehmen d.h. die
Mittel aufbringen, um es zu zeigen u., da es zweifellos ein Erfolg sein wird, seine Reise
auch nach Amerika u.s.w. ermöglichen.“24 Darüber hinaus schlägt er eine Zusammenar-
beit mit Viertels „Wandertruppe“ vor, mit der Die Truppe gemeint ist, für die Dicker und
Singer ab 1923 arbeiteten.
In seiner Werkliste von 1937 gibt Singer die folgenden Tätigkeitsbereiche der Werkstät-
ten Bildender Kunst an: „Tischlerei, Weberei, Stoffspritzerei, Buchbinderei, Goldschmiede-
werkstätte, Spielzeug, Marionettentheater. Entwürfe für alle diese Werkstätten, für Einzel-
20 Bei Hubert Isepp könnte es sich um den Bruder des dem Nötscher Kreis zugehörigen Malers Sebas-
tian Isepp (1884–1954) handeln. Dicker erwähnt ihn als Mitarbeiter in einem Brief: „[...] jetzt ist
auch der Bruder vom Isepp da, der ist reizend und prachtvoll.“ Siehe: UAKKA, Brief Friedl Dicker
an Anny Wottitz, undatiert, um 1923, Inv.-Nr. 13.708/3.
21 DLM, Bestand: A:Viertel, Salka, 80.1.594, Brief Franz Singer an Berthold Viertel, undatiert. Den
Hinweis zu diesem Brief gab freundlicherweise Topper Sherwood per E-Mail, dem an dieser Stelle
herzlich gedankt sei.
22 „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ lautete ein Vortrag, den Gropius im Sommer 1923 an-
lässlich der Bauhaus-Woche hielt und der fortan für das Programm des Bauhauses maßgeblich war.
Er nutzte den Wortlaut auch in einem „Brevier für Bauhäusler“, dass vermutlich im Frühjahr 1924
entstand. Siehe: Wingler 20024, S. 15, 90.
23 Auch Hans M. Wingler kommt in Bezug auf Dickers Werk zu diesem Schluss: „Die ins romantisch
Überhöhende zielende Tendenz der Anfangsperiode des Bauhauses, das seine Normen primär noch
aus der handwerklichen Begriffswelt herleitete, prägte die Arbeiten Friedl Dickers auf Jahre hinaus,
[...]“. Siehe: Wingler, 1970, S. 7.
24 DLM, Bestand: A:Viertel, Salka, 80.1.594, Brief Franz Singer an Berthold Viertel, undatiert.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482