Seite - 101 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Bild der Seite - 101 -
Text der Seite - 101 -
Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 101
stätten Bildender Kunst tätig gewesen zu sein, denn Dicker erwähnt in einem Brief auch
„einen sehr netten Buchbinder“48.
Für sich selbst hatte Singer in den Werkstätten eine Tischlerei vorgesehen. Die Arbeit
in diesem Bereich bezieht sich vermutlich auf die Bühnenbilder für das von 1923 bis
1924 bestehende Theater Die Truppe von Berthold Viertel. So sind auf den Bühnenbild-
entwürfen Möbel zu erkennen, die in den Werkstätten entstanden sein könnten. Singer
tischlerte die Entwürfe jedoch nicht selbst, da Dicker in der Briefkorrespondenz mit
Wottitz einen in den Werkstätten beschäftigten „Tischler“ und eine „Grete Sillmann“ als
„Tischlersfrau“ erwähnt.49 Nur ein einziger Hinweis aus einem Brief von Dicker an Wot-
titz weist darauf hin, dass auch unabhängig für die Theaterarbeiten Möbel geplant waren:
„Die Pölster kriegte man gewiß los, wenn die Möbel dazu fertig gemacht werden könn-
ten, damit die Leute sehen, wie sie glücklich zu verwenden sind.“50 Dicker selbst arbeitete
in der Textilabteilung, in der, ihren Berichten zufolge, zeitweise „9 Leute“51 arbeiteten.
Ebenso wurde versucht, den Vertrieb des „Phantasus“-Baukastens für Kinder voran-
zutreiben.52 Die früheste Erwähnung dieses Spiels ist das bereits erwähnte Dokument
mit der Bezeichnung „Holzbaukasten zum Bauen von Tieren, Entwurf und Ausführung:
Singer-Scala, 1919 gesetzl. geschützt in allen Staaten“53. 1924 wurde der Baukasten in Ös-
Konfessionen von Wottitz abgedruckt. Als Besitzerin ist im Abbildungsnachweis „Paula Stockmar
(Weimar)“ angegeben. Siehe: Wingler 20024, S. 335, 550. Es sind weitere Entwürfe für Buchein-
bände erhalten, die unter Mitarbeit Franz Singers entstanden sein dürften: Das neue Wien (1926–
1928), Leo Tolstois Krieg und Frieden (1869), Olympische Kunst (1923). Siehe: AAD/V&AM,
AAD-1983-2, PL1. Deutsche Köpfe des Mittelalters (1922). Siehe: AAD/V&AM, AAD-3-1982,
PL6.
48 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiert, um 1924, Inv.-Nr. 13.702/2.
49 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiert, um 1925, Inv.-Nr. 13.701/3.
50 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiert, um 1924, Inv.-Nr. 13.702.
51 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiert, um 1923, Inv.-Nr. 13.708/2.
52 Der Baukasten wird in der Literatur üblicherweise als „Phantasus-Baukasten“ bezeichnet.
53 Im Zuge der Recherchen konnte im BHA in der Dokumentensammlung Franz Scalas, einem Bau-
haus-Kollegen, den Singer ebenfalls für die Mitarbeit in den Werkstätten Bildender Kunst erwähnt,
das Dokument mit der Bezeichnung „Holzbaukasten zum Bauen von Tieren, Entwurf und Ausfüh-
rung: Singer-Scala, 1919 gesetzl. geschützt in allen Staaten“ ausfindig gemacht werden. Demnach
entstand der Entwurf des Spiels vermutlich bereits um 1919. Siehe: BHA, Dokumentensammlung,
Franz Scala, Mappe 3. Paul-Reza Klein, der sich in seiner Diplomarbeit intensiv mit der Entwick-
lung des Spiels auseinandergesetzt hat, nennt als früheste Erwähnung des Spiels eine undatierte
Gebrauchsmusteranmeldung aus dem AGS, in der das Spiel als „Bau-Zoo Tierbaukasten“ benannt
ist. In einer zweiten Anmeldung sind als Anmelder des Spiels die Werkstätten Bildender Kunst ange-
geben, der Baukasten wird hier als „Quadreikei der Tierbaukasten“ bezeichnet. Siehe: Klein 2015,
S. 43, 112–113.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482