Seite - 118 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938118
ihrer Freundin über den Aufbau der Werkstätten Bildender Kunst berichtet und schreibt,
dass sie „mindestens ein Atelier in Wien“5 bräuchte.
Als gesichert gilt, dass Dicker um 1925/1926 unter Mitarbeit von Martha Hauska-
Döberl6 ein Atelier in der Wasserburgergasse 2 im 9. Bezirk einrichtete.7 Hier entstan-
den Textilien sowie Taschen im Auftrag von Singers Schwester Frieda Russ8, die von
der Verkaufsstelle des Österreichischen Werkbunds in Kommission genommen wurden
(Abb. 73).9 Singer gibt auf einer „Konsignation“ für den Österreichischen Werkbund von
1926 an: „Textilabteilung: Friedl Dicker, Abteilung Taschen: Frieda Russ“10. Die Ferti-
gung von Textilien in der Wasserburgergasse ist durch einen an diese Adresse gerichteten
Brief der Textilfirma B. Spiegler & Söhne11 an Friedl Dicker aus dem Jahr 1926 belegt, in
dem um die Bestätigung der Zusendung eines „Handwebstuhl[s] mit 400er Maschine“
5 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiert, um 1923, Inv.-Nr. 13.711.
6 Martha Hauska-Döberl, geb. Damian (1901–1983) war mit Friedl Dicker und mit Thea Knopp,
einer Auftraggeberin des Ateliers, befreundet. Mündliche Auskunft Helen Rupertsberger-Knopp,
15.9.2016. Dem Kat. Ausst. Bauhaus-Archiv 1970 zufolge, war Martha von 1925 bis 1932 für das
Atelier von Dicker und Singer tätig. Siehe: Kat. Ausst. Bauhaus-Archiv 1970, S. 61. Von 1924 bis
1927 war sie mit dem Musiker Hans Hauska (1901–1965) und anschließend mit Gustav Döberl
(1908–1976) verheiratet. Der Schlosser und Sportlehrer Gustav Döberl war als Kommunist und
Schutzbündler aktiv. 1934 emigrierte das Paar daher in die UdSSR. 1938 wurde Gustav Döberl auf-
grund des Vorwurfs der Spionage verhaftet und war von 1940–1947 in einem sibirischen Straflager
interniert. 1954 kehrten Martha und Gustav Döberl mit Sohn Peter zurück nach Wien. Siehe: Barry
McLoughlin/Josef Vogl 2013a; Barry McLoughlin/Josef Vogl 2013b; Makarova 2017b.
7 Noch heute befinden sich im Dachgeschoss des Hauses Atelierräume. Es könnte sich dabei um die
Räumlichkeiten handeln, die damals von Dicker und Hauska genutzt wurden. Der Hinweis auf
die Türnummer auf einigen Telefonrechnungen „Wasserburgergasse 2/1“ – mit der Nr. 1 dürfte die
Türnummer gemeint sein – lässt allerdings darauf schließen, dass sich das Atelier im Erdgeschoss
des Hauses befand. Im Februar 2015 ermöglichte freundlicherweise die derzeitige Mieterin Inge
Kerschbaumer-Palacz die Besichtigung des von ihr gemieteten Ateliers im Dachgeschoss des Hauses
in der Wasserburgergasse 2. Den Hinweis dazu gaben Georg Schrom und Elena Makarova.
8 Frieda Stoerk, geb. Singer, zunächst verheiratete Russ.
9 AGS, Österreichischer Werkbund, Konsignation über Textilarbeiten von Friedl Dicker und Taschen
von Frieda Russ, 19.2.1926. Siehe auch: Kat. Ausst. Bauhaus-Archiv 1970, S. 10. Frieda Stoerk
(zuvor verheiratete Russ) hatte für den Standort ihrer Wohnung in der Frankgasse 4 im 9. Bezirk
eine Gewerbeberechtigung für die Herstellung von Handtaschen sowie Stickereien auf Stoff. Siehe:
Bestätigung, Landesinnung Wien der Sticker, 5.3.1963, Privatbesitz. Inwiefern und in welchem
Zeitraum eine Zusammenarbeit von Dicker und Stoerk bestand, lässt sich heute nicht mehr genau
ermitteln.
10 AGS, Österreichischer Werkbund, Konsignation über Textilarbeiten von Friedl Dicker und Taschen
von Frieda Russ, 19.2.1926.
11 Die Textilfirma B. Spiegler & Söhne wurde zwischen 1879 und 1880 gegründet. Der Firmensitz war
in Wien, Schottenbastei 11, die Produktionsstätte befand sich in Hronov in Böhmen. 1936 wurde
die Firma von der von Hugo Moller geleiteten Textilfirma S. Katzau mit Sitz in Wien und Produk-
tionsstandort in Nachod-Babi (C.S.R.) übernommen. Siehe: Prager Tageblatt, 10.4.1936, S. 10.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482