Seite - 120 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938120
Die Rekonstruktion des Atelieralltags und die offizi-
elle Bezeichnung des Ateliers sind mithilfe der Adressan-
gaben von Briefen und Rechnungen überprüfbar. Man-
che Korrespondenzen der einzelnen Projekte sind an die
Privatadresse von Singer, die Schadekgasse 18, adressiert,
so zum Beispiel ein Kostenvoranschlag des Tapezierers
Max Strass für das erste auf Singers Werkliste angeführte
Wohnungsprojekt für die Freundin Anny Wottitz-Mol-
ler aus dem Jahr 1925.17 Singer scheint demzufolge auch
in seiner Privatwohnung gearbeitet zu haben, wo er sich
nachweislich einen Atelierraum eingerichtet hatte.18
Andere Briefe sind an die Wasserburgergasse adressiert.
Von Bruno Pollak, einem Mitarbeiter des Ateliers, ist
zum Beispiel ein Brief von 1929 mit eigenem Briefkopf
erhalten, der ebenfalls die Wasserburgergasse 2 angibt:
„Pat. Ang. BP Stühle u. Tische Bruno Pollak Wien, IX.
Wassserburgergasse 2“19 (Abb. 75). Eine offizielle Ge-
werbeanmeldung bestand aber weder für die Schadek-
gasse noch für die Wasserburgergasse.20 Martha Hauska-
Döberl berichtete: „Erst später wurde der Architekturbetrieb in die Wasserburgergasse
verlegt, Bruno Pollak als erster, dann Joseph Seibeld [sic!], Anna Szabó, Poldi Schrom
usw. [...] arbeiteten ständig und regelmäßig in Friedls Atelier an Singers Projekten. Er
[Singer] selbst arbeitete auch damals noch in der Schadekgasse, kam aber fast täglich mit
meist nachts ausgedachten Plänen und Neuigkeiten, die er sowohl, d.h. zuerst mit Friedl
und dann mit den anderen Mitarbeitern durchsprach; dann arbeitete jeder an ‚seiner
Wohnung‘.“21
Aus den aus den frühen Jahren erhaltenen Rechnungen, die meist keine Anschrift
auf dem Briefbogen enthalten, können bezüglich einer Benennung des gemeinschaftlich
geführten Ateliers keine definitiven Rückschlüsse gezogen werden. Wie die noch erhalte-
nen Telefonrechnungen belegen, war jedenfalls im Atelier in der Wasserburgergasse das
17 AGS, Rechnung Max Strass, 24.3.1925.
18 Aus einer erhaltenen Vereinbarung vom 28.12.1937 zur Untervermietung der Wohnung in der
Schadekgasse 18 an Dr. Josef Stadler ab dem 1.1.1938 geht hervor, dass Stadler die „Wohnung samt
Einrichtung, Geschirr etc. mit Ausnahme des Atelierraumes“ mietete. Siehe: AGS.
19 Siehe: AGS, Brief Bruno Pollak an Franz Singer, 21.9.1929.
20 Recherchen beim Archiv der Wirtschaftskammer Österreich in Wien haben ergeben, dass dort we-
der von Friedl Dicker noch von Franz Singer Gewerbe-Anmeldungen vorliegen.
21 BHA, Ordner Dicker/Singer Ausstellung 1970, Brief Martha Hauska-Döberl an Margit Téry-
Buschmann, 14.9.1969.
Abb. 74: Michael Singer, um
1926/1927.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482