Seite - 136 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938136
schaftlich nach Neuigkeiten aus dem Atelier und der gedruckte Briefkopf attestiert ihm
eine selbstständige Stellung im Büro: „Pat. Ang. BP Stühle u. Tische Bruno Pollak Wien,
IX. Wassserburgergasse 2“81. 1939 emigrierte Bruno Pollak nach London.82
Leopoldine Schrom, genannt „Poldi“, studierte seit 1923/1924 Architektur an der Tech-
nischen Hochschule in Wien und schloss das Studium ebenfalls nicht ab. Bevor sie ab 1929
ihre Tätigkeit in der Ateliergemeinschaft aufnahm, arbeitete sie für die niederländische
Übersetzerin Else Otten.83 Nachdem Singer sich seit 1934 ständig in London aufhielt,
übernahm Schrom auch buchhalterische Tätigkeiten des Ateliers und führte mit Singer
ausführliche Korrespondenzen über den Fortgang der Projekte, die heute Aufschluss über
die Arbeit im Atelier liefern. 1936 bezog sie ein eigenes Atelier in der Lerchenfelderstraße
im 8. Bezirk, wobei sie diese Adresse in geschäftlichen Korrespondenzen für das Atelier
nicht anführte. Sie war als Mitarbeiterin bis zur Auflösung 1938 im Atelier Franz Singers
beschäftigt und verwahrte den Nachlass nach dem Krieg in ihrem eigenen Atelier. Nach
der Auflösung des Ateliers war sie als selbstständige Architektin in Wien tätig.84
Die in Budapest geborene Anna Szabó, genannt „Nusi“, arbeitete von 1929 bis 1935
im Atelier. Sie studierte seit 1925/1926 an der Technischen Hochschule Wien, hielt sich
mit Reisestipendien 1928 in Schweden, 1929 in Spanien und 1930 in Paris auf und legte
im Juli 1929 die 1. Staatsprüfung ab.85 Ab 1934 arbeitete sie auch selbstständig, half aber
zur Unterstützung Leopoldine Schroms bis 1935 im Atelier aus.86 1938 ging sie zurück
nach Ungarn, arbeitete bei einem Architekturbüro in Budapest und kehrte nach dem
Krieg zurück nach Wien, bis sie schließlich um 1957 nach London emigrierte um dort
beim London County Council, ab 1965 Greater London Council, zu arbeiten.87
81 Siehe: AGS, Brief Bruno Pollak an Franz Singer, 21.9.1929.
82 Benton 1995, S. 197.
83 Im Kat. Ausst. Heiligenkreuzerhof 1988 ist als Eintritt in das Atelier für Leopoldine Schrom das
Jahr 1929 angegeben. Siehe: Kat. Ausst. Heiligenkreuzerhof 1988, S. 11. Dies bestätigt sich durch
einen Brief Leopoldine Schroms von 1935, in dem sie angibt: „[...] nach 6 Jahren Zugehörigkeit
zum Atelier [...]“. Siehe: AGS, Brief Lepoldine Schrom an Emmy Heim, 28.1.1935. Ihre Mitarbeit
für Else Otten geht aus Unterlagen im AGS hervor.
84 Maasberg/Prinz 2004, S. 82.
85 Die Hinweise zu den von Anna Szabó während des Studiums eingelegten Reisen mit Stipendien
der Technischen Hochschule Wien gehen aus dem Mitgliedsantrag für das Royal Institute of British
Architects hervor. Siehe: RIBA Drawings & Archive Collection, AAD/V&AM, Application for As-
sociationship, Anna Szabo [sic!], 1965.
86 Siehe: AGS, Brief Leopoldine Schrom an Anna Szabó, 2.3.1972.
87 Anna Szabó war unter jenen ausländischen, jüdischen Studierenden, die sich im Frühsommer 1938
um eine Zulassung zur Inskription an der Technischen Hochschule Wien bewarben. Kurz darauf
ging Szabó vermutlich nach Ungarn. Neben ihrer selbstständigen Tätigkeit seit 1935 arbeitete sie
von 1941–1943 bei „M. Roman“ in Budapest. Nach dem Krieg war sie 1946/1947 an der Techni-
schen Hochschule Wien für Hochbau eingeschrieben, die 2. Staatsprüfung legte sie jedoch nicht ab.
1948 erhielt sie ein „Unesco grant for hospital building“. Von 1949–1955 arbeitete sie im Staats-
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482