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Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 137
Hans Biel88 (1907–2000) hatte seit 1925 an der Technischen Hochschule Architektur
studiert und 1929 die 2. Staatsprüfung abgelegt. Während des Studiums arbeitete er in
verschiedenen Architekturbüros im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und ging 1929
nach Frankfurt am Main, um dort mit dem Architekten Fritz Nathan zu arbeiten.89 1931
kehrte er nach Wien zurück und war neben seiner selbstständigen Tätigkeit bis zu seiner
Emigration nach London 1934 im Wiener Atelier von Franz Singer beschäftigt.90 Mit
Singer vereinbarte er, dass er auch für seine selbstständigen Projekte Singers Atelierräume
nutzen durfte.91 Dies erklärt, warum einige Pläne und Korrespondenzen eigener Projekte
unter Angabe von Biels Adresse Gärtnergasse 8 im Nachlass der Ateliergemeinschaft er-
halten sind.92 In London arbeitete Biel mit Franz Singer und Wells Coates93 (1895–1958)
an einem Ausbausystem für Altbauwohnungen, das jedoch aufgrund von Unstimmigkei-
ten zwischen Singer und Coates scheiterte. Ab 1936 entwickelte er zusammen mit Singer
Sperrholzmöbel.94
1934 nahm die Ingenieurin Eugenie Pillat (1904–1996), genannt Jenny, ihre Tätigkeit
im Atelier auf und blieb bis 1936. Pillat hatte sich 1924/1925 an der Technischen Hoch-
schule eingeschrieben und legte 1930 ihre 2. Staatsprüfung ab. Damit gehört sie zu den
wenigen Frauen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Österreich die Baumeisterbefugnis
dienst und zog um 1957 nach London, wo sie 1965 assoziiertes Mitglied des Royal Institute of
British Architects wurde. 1988 verstarb sie durch einen Autounfall. Siehe: AAD/V&AM, RIBA
Drawings & Archive Collection, Application for Associationship, Anna Szabo [sic!], 1965. Wei-
tere Auskünfte erteilten Georg Schrom (AGS), Juliane Mikoletzky (TU Archiv) und Vicky Wilson
(AAD/V&AM, RIBA, Drawings & Archive Collection).
88 Hans Biel war der Sohn des Inhabers des Neustifter Hammerwerkes Ing. Ludwig Biel, einem Han-
del für Schmiedeartikel, Waggonbestandteilen und Pflugwaren. Seine Briefe geben im Briefkopf
dieselbe Adresse wie bei Ludwig Biel an: Gärtnergasse 8 im 3. Bezirk. Außerdem befand sich im
AGS unbeschriebenes Briefpapier von Ludwig Biel.
89 Benton 1995, S. 140.
90 Hans Biel erwähnt diese Vereinbarung mit Singer in einem Brief. Dies erklärt, warum auch Unter-
lagen von Projekten im AGS erhalten sind, die Biel eigenständig ausführte. Siehe: AGS, Brief Hans
Biel an Georg Schrom, 24.4.1988.
91 AGS, Brief Hans Biel an Georg Schrom, 24.4.1988.
92 Auf einem Brief für das von Biel ausgeführte Wohnungsprojekt des Auftraggebers Winternitz vom
7.5.1934 ist als Absender „Architekt Ing. Hans Biel Wien III. Gärntergasse 8“ angegeben. Siehe:
AGS.
93 Der Architekt Wells Coates, geboren in Tokio als Sohn kanadischer Eltern, ließ sich 1929 in London
nieder und entwarf zunächst Geschäftseinrichtungen für Cresta und andere Firmen. Im Verbund mit
Chermayeff und McGrath arbeitete er von 1931–1932 für die Inneneinrichtung der Rundfunkan-
stalten der BBC in London. Zudem entwarf er 1934 das Isokon House in London-Hampstead und
das Embassy Court House in Brighton. Coates war Mitbegründer der MARS Gruppe 1933 und trat
1938 dem RIBA (Royal Institute of British Architects) bei. Siehe: Sharp 1977, S. 30.
94 Siehe: AGS, Brief Hans Biel an Georg Schrom, 24.4.1988.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482