Seite - 141 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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AuftraggeberInnen 141
Viertel (geb. Mea Steuermann), die Dicker und Singer bei ihrer Arbeit für das Theater
Die Truppe von Berthold Viertel in Berlin kennengelernt hatten.
Durch die Freundschaft zu dem Kunsthistoriker Ludwig Münz108 (1889–1957) dürfte
sich der 1930 erteilte Auftrag für ein Wohnungsprojekt für dessen Schwester und ihren
Ehemann Max Hendrik Reymers ergeben haben. Mit den AuftraggeberInnen Gustav
Fischer, Julius Toch und Eugen Tarnay unterhielt Franz Singer ebenfalls engere Kontakte.
Neben dem Freundeskreis stammte die zweite größere Auftragsgruppe aus Singers
großbürgerlicher Familie. So entstanden Wohnungs- und Büroumgestaltungen 1937 für
seinen Bruder Paul und 1929 für dessen erste Ehefrau Phyllis, 1936 für seine Schwester
Frieda Stoerk und 1932 für seine Schwägerin Marianne, die Frau seines Bruders Ju-
lius Singer. 1927 gab Singers Cousin Julius Koritschoner (1891–1928) mit seiner Frau
Mia, geborene Hasterlik (1900–1973), eine Wohnraumgestaltung in Auftrag. Nach des-
sen Selbstmord 1928 bezog Mia Koritschoner 1936 schließlich eine neue, vom Atelier
eingerichtete Wohnung. Mias Vater, der Arzt Paul Hasterlik (1866–1944), hatte bereits
1925/1926 ein Zimmer in seiner Wohnung umgestalten lassen.
Der Rechtsanwalt Hugo Kallberg (1873–1949), der die Umgestaltung eines Zimmers
in Auftrag gab, war mit Franz Singers Cousine Maria Anna Kornfeld (1881–1955) ver-
heiratet.109 Franz Neumann (1900–1988), ein weiterer Cousin Franz Singers, gab um
1930 die Umgestaltung einer Villa in Reichenberg (heute Liberec) in Auftrag, in der er
mit seiner Frau Grete (1909–1969) und seiner Mutter Olga Neumann (1871–1942)
wohnte. In der gleichen Stadt ließ sich auch Franz Stross (1877–1956) nieder, der mit
Hildegard Neumann (1886–1945), wiederum einer Cousine von Franz Singer, verhei-
ratet war. Die vom Atelier für Stross entwickelten Leuchten-Entwürfe waren vermutlich
alle für dessen Villa in Reichenberg vorgesehen, die nach einem Entwurf von Thilo Scho-
der (1888–1979) von 1923 bis 1925 errichtet wurde.110
Auch über die Verwandtschaft von Singers Frau Emmy Heim ergingen Aufträge an
das Atelier. 1925/1926 wurde die Wohnung des mit Johannes Itten befreundeten, finni-
schen Sängers Helge Lindberg eingerichtet. Dieser war mit Heims Nichte, der Sängerin
108 Der Kunsthistoriker Ludwig Münz, der bis 1922 als Dozent an den Wiener Volkshochschulen arbei-
tete, wurde nach der Rückkehr aus seiner Emigration nach London ab 1946 Direktor der Akademie
der bildenden Künste Wien. Münz, der in Wien studiert hatte, reichte 1923 eine Dissertation an
der Universität Hamburg ein, die jedoch aufgrund antisemitisch motivierter Widerstände nicht
angenommen wurde. Siehe: Wendland 1999c, S. 448–449.
109 Franz Singers Tante Henriette Singer (1853–1913) war mit dem bekannten Wiener Rechtsanwalt
Ignaz Kornfeld (1846–1921) verheiratet. Sie hatten fünf Kinder. Ihre Tochter Maria Anna Kornfeld
(1881–1955) heiratete 1905 den Rechtsanwalt Hugo Kallberg (1873–1949). Siehe: Gaugusch 2011,
S. 1530–1532.
110 Engelmann 2012, S. 92–94; Vgl. Gröbe 1927, S. 229. Leuchten-Entwürfe: AGS.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482