Seite - 166 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938166
London F. S. [damit] nicht behelligt“ habe.239 Abschließend schreibt Schrom an Heim in
ihrem sechsseitigen Brief: „Und dass mein Brief in dem keinen falschen Ton zu finden
bitte, Sie bei aufmerksamem Durchgehen überzeugt, wie wenig begründet F. S. Besor-
gungen sind und dass mein Brief genügend klar ist, dass Sie aus ihm entnehmen, wie Sie
beruhigen können.“240 Es ist zwar kein Antwortbrief von Singer auf die seitens der Mit-
arbeiterin gestellten Vorwürfe erhalten, doch dürfte sich die angespannte Lage erst ein-
mal wieder beruhigt haben, da in der Briefkorrespondenz zwischen Schrom und Singer
im März 1935 nicht mehr auf die Finanzierungsprobleme des Wiener Ateliers eingegan-
gen wird.241 Schrom hatte jedoch offenbar nach wie vor Bedenken über die Führung und
den Weiterbestand des Ateliers und schrieb im April 1935 an Singer: „Ich möchte nun
auf die seit langem latent vorhandenen Widerstände des Ateliers gegen die absolut einsei-
tige Art des Entwerfens ohne jede Rücksichtnahme auf Kostenabrechnung (z.B. Aufbau
einer Siedlung in Palästina nur auf Grund von Schiebe- und Drehbetten, dessen einzige
Auflockerung Biels Idee mit dem zweigeschossigen Entwurf bedeutete) kommen und das
Ausweichen Ihrerseits, eine Besprechung darüber auch nur zuzulassen was Sie dazu ge-
führt hat, die von uns oft besprochene und zu kritisierte begonnene wirtschaftliche Füh-
rung des Ateliers, die durch einige Wochen unserem Gutdünken, ohne jede vorherige
genügende Instruktion der ganzen Sachlage, überlassen war, zum Vorwand äusserster
Unzufriedenheit mit dem Atelier zu nehmen. [...] Es ist ein Entschluss bei der eingangs
geschilderten Lage des Wiener Ateliers notwendig. Wie überhaupt – auch bei Besserung
der Wiener Lage. Sie müssen sich jetzt klar werden. [...] Vielleicht liquidieren Sie das
Wiener Atelier [...] wenn Sie mit uns für die Zukunft aus all den von mir angeführten
Einwänden nicht zu einem reibungslosen Auskommen zu gelangen glauben können.“242
Singer reagiert darauf schließlich in einem ausführlichen Brief, in dem er auf die im Au-
gust besprochene Einführung zur Organisationsverbesserung des Ateliers verweist und
schreibt, dass es ihm durch die in London gewonnenen Aufträge nun hoffentlich ge-
länge, „die Restschulden in Wien endlich los zu werden“243. Daraufhin war Schrom of-
fenbar wieder beruhigt, jedenfalls lieferte sie ab diesem Zeitpunkt pflichtbewusst und
detailreich Bericht über die Arbeit in Wien.
Auffällig ist jedoch, dass 1935 nur noch vier und 1936 nur noch fünf neue Projekte
in Wien realisiert wurden. Das Wiener Atelier beschäftigte sich seit Singers Aufenthalt
in London vorwiegend mit Ergänzungen und Reparaturen in bereits vor 1935 umgestal-
teten Wohnungen, mit Möbelentwürfen und dem „Möbelspiel“ für die niederländische
239 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Emmy Heim, 28.1.1935.
240 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Emmy Heim, 28.1.1935.
241 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Emmy Heim, 6.3.1935.
242 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Emmy Heim, 4.4.1935.
243 AGS, Brief Franz Singer an Leopoldine Schrom, 23.4.1935.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482