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Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 167
Firma Metz & Co sowie der Entwicklung neuer Möbel wie dem V-Stuhl aus Stahlrohr
und Möbeln aus Sperrholz. 1938 löste Schrom schließlich mit Singers Einverständnis das
Wiener Atelier in der Schadekgasse auf und überführte die Planunterlagen in ihr Ateli-
er.244 Die Wohnräume in der Schadekgasse wurden seit Januar 1938 bereits an einen Dr.
Josef Stadler und dessen Frau vermietet.245
Um 1939 bezog Singer in London eine Wohnung mit der Adresse Cadogan Gardens
39. 1949 gibt er auf Planunterlagen die in unmittelbarer Nähe seiner bisherigen Woh-
nung befindliche Adresse Culford Mansions, Culford Gardens 9 an.246
Franz Singer führte, teilweise in Zusammenarbeit mit Hans Biel, vorwiegend Aufträge
in Großbritannien aus. Um dort als emigrierter Architekt arbeiten zu dürfen, war jedoch
zeitweise eine Arbeitsgemeinschaft mit einem einheimischen Architekten einzugehen.
Nachdem eine anfängliche Zusammenarbeit von Franz Singer mit Wells Coates nicht
lange andauerte, entwarf er 1939 gemeinsam mit dem Architekten William Crabtree
(1905–1991) zwei Geschäftsfilialen für The Mill Bakeries247 in London.248 Crabtree war
auch an dem Entwurf für das von 1935 bis 1939 entstandene Kaufhaus Peter Jones am
Sloane Square beteiligt, für das Singer 1937 mit der Innenraumgestaltung beauftragt
wurde.249 Mit Hans Biel entwickelte er Prototypen für Sperrholzmöbel und arbeitete an
244 Kat. Ausst. Heiligenkreuzerhof 1988, S. 13, 108.
245 AGS, Dokument: „Information, aufgenommen am 28.12.1937 mit Herrn Dr. Josef Stadler, welcher
angibt: Ich habe mit Herrn Franz und Frau Emmi [sic!] Singer eine Vereinbarung getroffen, derzu-
folge ich ab 1. Jänner 1938 als Untermieter in deren Wohnung 6., Schadekgasse 18 ziehe und sie mir
diese Wohnung samt Einrichtung, Geschirr etc. mit Ausnahme des Atelierraumes vermieten.“
246 Siehe: BHA, Architektursammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 2019/262.1–13; 2019/264.1–16.
247 Siehe: BHA, Architektursammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 7632; 2019/61; 2019/87.
248 Siehe: Benton 1995, S. 45. Zwischen Franz Singer und Wells Coates dürften Unstimmigkeiten
bestanden haben. Im BHA haben sich Möbel-Zeichnungen von Franz Singer auf Zeichenpapier
von Coates’ Atelier mit Kommentaren von Coates in Rotstift erhalten. Er lehnte alle Entwürfe
Singers ab, so ist beispielsweise auf der Zeichnung eines Toilettentischs vermerkt: „not carried out
at Brighton or elsewhere, Wells Coates“ und auf einer für Hocker: „chairs to similar design (not sta-
cking) have been made by me since 5 yrs. Not made as this at Brighton, Wells Coates“. Siehe: BHA,
Franz Singer, Dokumentensammlung, o. Inv.-Nr. Ebenso haben sich in Singers Fotosammlung Fo-
tografien einer Wohnung erhalten, welche ein Apartment aus dem von Wells Coates entworfenen
Embassy Court House in Brighton zeigen könnten. Siehe: BHA, Franz Singer, Fotosammlung,
Inv.-Nr. 7854/1–10. Diese Hinweise deuten darauf hin, dass Singer möglicherweise mit Entwürfen
für die Inneneinrichtung des Embassy Court House in Brighton von Coates beschäftigt wurde.
249 William Crabtree entwarf das Kaufhaus Peter Jones am Sloane Square in London gemeinsam mit der
Architektenpartnerschaft Slater & Moberly (John Alan Slater und Arthur Hamilton Moberly) sowie
Charles Herbert Reilly. Das Gebäude zeichnet sich durch seine geschwungene Glasvorhangfassade
aus, für die der zeitweise an der Universität Liverpool lehrende Erich Mendelsohn inspirierend ge-
wirkt haben könnte, an der Reilly als Professor arbeitete und Crabtree studiert hatte. Das Gebäude
gehört heute zu den „listed buildings“ in Großbritannien. Siehe: Stamp 1997, S. 348; VAM 2017a.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482