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Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 221
Im Folgenden werden einige Möbel, bei denen Typisierungstendenzen abzulesen sind,
näher vorgestellt:
Das „Diwanbett“
Das „Diwanbett“, das in Hans Hellers 1927 eingerichteter Einraumwohnung noch eine
zweigeteilte Deckelplatte aufwies, wurde in der Folge häufiger in einer Variante verwen-
det, bei der die Deckelplatte aus einem Element bestand (Abb. 148). Diese Vereinfa-
chung und der schlichte, kistenähnliche Aufbau verdeutlichen den Wunsch nach einer
serienmäßigen Herstellung. Um sich den Mechanismus der sich hochhebenden Matratze
nach Aufklappen der Deckelplatte schützen zu lassen, meldete Singer das „Diwanbett“
am 24. September 1929 beim Österreichischen Patentamt an.130
Sofabetten mit ähnlichen Klappmechanismen hatte bereits die in Berlin ansässige
Firma Richard Jaekel’s Patentmöbelfabrik 1891 im Deutschen Reich und 1904 in Öster-
reich zum Patent angemeldet (Abb. 171).131 Da sich ab den 1890er-Jahren auch Stand-
orte der Firma in Wien befanden und sich im Nachlass der Ateliergemeinschaft auch
ein Prospekt der Firma Richard Jaekel’s aus den 1920/1930er-Jahren erhalten hat – bei
einem Schlafsofa sind sogar Bleistiftskizzen erkennbar –, kann angenommen werden,
dass insbesondere diese Klappmöbel inspirierend waren. Die Kombination von Sofa und
Bett wurde beispielsweise auch bei dem Doppelsofa für das Wohnzimmer im Haus von
Walter und Ise Gropius in Dessau aufgegriffen, das Marcel Breuer und Gropius einrich-
teten (Abb. 172).132 Sie wurde aber auch von Wiener ArchitektInnen wie Franz Schuster
genutzt. 1927 präsentierte dieser ein „Liegesofa“ in der Publikation Eine eingerichtete
Kleinstwohnung, das als Sitz- wie als Liegemöbel verwendet werden konnte.
130 Patent, Franz Singer, Diwanbett, Patentamt Österreich, 125629, angemeldet: 24.09.1929, Beginn:
15.07.1931, ausgegeben: 25.11.1931.
131 Siehe: R. Jaekel’s Patentmöbel-Fabrik in Berlin, Bettsopha, Patentamt Deutsches Reich, 73244,
angemeldet: 7.8.1891, patentiert: 8.8.1891, ausgegeben: 23.1.1894; R. Jaekel’s Nachf. Jos. &
Leop. Quittner in Wien, Bettsofa, Patentamt Österreich, 27558, angemeldet: 20.1.1904, Beginn:
15.4.1904. Vgl. auch: Patent-Bett-Chaiselongue „Reformator“. Siehe: Jaekel’s Patent-Möbel 1910,
S. 23. Die Berliner Firma Richard Jaekel’s Patentmöbelfabrik besaß auch einen Standort in Wien und
wurde im Februar 1899 von J.& L. Quittner übernommen.
132 Gropius 1930, S. 110.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482