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Raumgestaltungen und Architektur 313
schwer, hell oder dunkel wirken sollten.
Die Farbe war für sie ein Mittel, die Archi-
tektur in eine illusionäre, abstrakte Raum-
qualität umzuformen, wobei sie damit we-
der besonders betont werden sollte noch
unter funktionalistischen Kriterien behan-
delt wurde. Vielmehr wurde damit jenes
synthetische Kunstwerk verfolgt, das Ziel
von Kandinskys Lehrprogramm war.341
Eine Studie von Friedl Dicker, die um
1920 datiert wird, zeigt einen Raum in
Zentralperspektive, der in Braun-, Grün-
und Grautönen gehalten ist und in dem
eine mittig angeordnete Figur zu einer
quadratischen Öffnung in der Decke blickt
(Abb. 299). Ein roter Stuhl an der rechten
Wand bildet einen Komplementärkontrast
zum Grün des Bodens und der gegenüber
liegenden Wand. In der Verschiedenfarbig-
keit von Wänden und Decke, dem Kom-
plementärkontrast, der Veränderung von
Farbe durch Lichteinfall und der Bezie-
hung von Mensch und Raum werden in dieser Studie Wirkung und Empfindung von
Farbigkeit im Raum thematisiert.342
Für Dickers und Singers farbige Raumgestaltungen erscheint zunächst zentral, dass
sie bevorzugt die Primärfarben Rot und Blau sowie Schwarz, Grau und Weiß verwen-
deten.343 Rot wurde als Wand- und Deckenfarbe, für Linoleum-Böden, Möbel und Ka-
chelöfen verwendet. Blau- und Grautöne sowie Schwarz – in der Anfangszeit wurden
auch Möbel schwarz gebeizt – wurden zumeist für die Gestaltung der mit Linoleum aus-
341 Poling 1982, S. 44.
342 UAKKA, Friedl Dicker, Raumstudie, Pastellkreide auf Papier, um 1920, Inv.-Nr. 12.213.
343 Düchting schreibt zum Gebrauch der Primärfarben in der De Stijl-Bewegung: „Erstaunlich un-
dogmatisch ging man im De Stijl-Kreis auch mit dem Grundfarbenproblem um. Zeigen schon
die Bilder Mondrians und van Doesburgs differenzierte Farbtöne, die mitunter auch die verpönte
„vierte Grundfarbe“ Grün einschließen [...], so konnte der farbige Purismus erst recht nicht in
der Architektur durchgehalten werden. So zeigt die Farbgestaltung des „Café Aubette“ (Straßburg,
1928) wieder eine tonale Farbigkeit mit Brechungen von Weiß und Schwarz, die sich durchaus
mit der gängigen Farbpraxis des traditionellen Anstrichs verbinden lassen.“ Siehe: Düchting 1996,
S. 121.
Abb. 299: Friedl Dicker, Raumstu-
die, um 1920, Pastellkreide auf Papier,
47,5 x 31,5 cm, UAKKA.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482