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„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien
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gasse verwendet wurden, und zum anderen können die Beschriftungen Bruno Pollaks
Handschrift zugeordnet werden, der seit 1927 Mitarbeiter in der Ateliergemeinschaft
war.375 Erhalten sind Grundriss-Pläne mit Möblierungsentwürfen für das Musikzimmer,
das Speisezimmer, die Bibliothek, das Kinderzimmer und die weiteren Zimmer im ersten
und zweiten Obergeschoss. Zudem weisen auch die im Loos-Archiv erhaltenen Aufrisse
und Ansichten des Hauses teilweise Beschriftungen auf, die Pollaks Handschrift entspre-
chen.
Singer schreibt in seiner Werkliste, dass der Einrichtungsentwurf für das Haus Moller
„nur teilweise ausgeführt“ wurde.376 Dies würde bedeuten, dass einzelne Zimmereinrich-
tungen tatsächlich nach den Ideen der Ateliergemeinschaft umgesetzt wurden. Welche
Entwürfe realisiert wurden, lässt sich heute allerdings nicht mehr rekonstruieren. Den-
noch ist ein Vergleich mit den historischen Fotografien und dem heutigen Zustand des
Hauses äußerst aufschlussreich und ermöglicht Einblick in die Ideen der Ateliergemein-
schaft für die Einrichtung des Hauses Moller.377
Der Plan für das Musikzimmer zeigt als Aufgang zum höher gelegenen Esszimmer
zwei kleine Treppen statt einer mittigen wie in der realisierten Fassung (Abb. 319).378
Dazwischen war Stauraum für von der Ateliergemeinschaft entworfene stapelbare No-
tenpulte vorgesehen.379 Vor dem höheren Niveau waren Sitzgelegenheiten geplant. Die
vertikal verlaufenden Linien der Zeichnung deuten mehrere geplante Sitzmodule an.
Auch im hinteren Teil des Raumes, in dem Loos einen halbhohen Schrank einbauen ließ,
waren weitere Sitzbänke und ineinandergeschobene Tische vorgesehen. Eine Detailzeich-
nung zeigt zudem die Planung einer Wandnische für einen „Notenkasten“, die allerdings
im Gegensatz zur heutigen Fassung einen Wandvorsprung in der Bibliothek bewirkte
(Abb. 320–321).380 Die heute noch erhaltene Schiebetür, mit der sich das Musik- und das
375 Markus Kristan von der AWA äußerte die Vermutung, dass Heinrich Kulka, der für die Erstellung
seines 1931 erschienenen Buches Adolf Loos. Das Werk des Architekten Unterlagen zu Loos’ Projekten
sammelte und die Pläne, die sich ursprünglich im Besitz von Hans Moller befanden, an sich genom-
men haben könnte. Alternativ könnten sie schon zuvor Bestandteil der Sammlung gewesen sein, die
Loos bei seinem Weggang aus Wien zurückließ. E-Mail, 10.7.2015. Zur Sammlung siehe: AWA,
Inv.-Nr. ALA909-932.
376 Franz Singer, Ansuchen um Verleihung der Befugnis eines Architekten, „Verzeichnis der von mir
geleisteten Arbeiten“, 31.7.1937, Original: ÖStA/AdR HBbBuT BMfHuV Allg Reihe PTech Singer
Franz Karl 08.02.1896 GZl. 71537/1937 Singer, Franz Karl, 08.02.1896, 1919–1938 (Akt (Samme-
lakt, Grundzl., Konvolut, Dossier, File)). Kopie: AGS.
377 Die israelische Botschafterin ermöglichte der Verfasserin freundlicherweise den Zutritt zu dem von
ihr heute bewohnten Haus am 5.1.2016.
378 AWA, Inv.-Nr. ALA932.
379 UAKKA, Entwurfszeichnung, „Übereinanderschiebbare Notenpulte Hans Moller“, Inv.-Nr. 9397/1-
4. Weitere Entwurfszeichnungen befinden sich im BHA und AGS.
380 AWA, Inv.-Nr. ALA930, ALA917.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482