Seite - 383 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Raumgestaltungen und Architektur 383
beherbergt hatte (Abb. 389–390).498 Dieses Gebäude wurde nach Entwürfen der Atelier-
gemeinschaft zu einem Gästehaus umgebaut (Abb. 391–392).499
Stadtbaumeister Carl Fleischer fungierte als Bauleiter und verpflichtete sich bei Franz
Singer bereits am 4. Oktober 1932 vertraglich dazu.500 Spätestens zu Beginn des Jahres
1933 dürften die Bauarbeiten begonnen und bereits im Februar der Rohbau abgeschlos-
sen worden sein, so schreibt Singer an Hildegard Auersperg-Hériot am 14. Februar 1933:
„Der Baufortschritt ist in den letzten Tagen wieder günstig. (Es werden momentan die
seitliche und rückwärtige Aussenmauer verputzt, die Podien betoniert, die letzten Mau-
erteile im Inneren errichtet, und der niedrige Dachteil über den Mädchenzimmer[n]
fertiggestellt.)“501 Der offiziellen Baubewilligung vom 5. April 1933 folgte am 12. Juli
1933 die Freigabe zur Benützung des Hauses.502 In einer Collage in Form eines Lepo-
rellos wurden die Bauarbeiten vom Atelier dokumentiert.503 Die Endabrechnung von
Anfang August 1933 bezifferte die Bausumme auf insgesamt 433.500 Schilling.504
Für den Neubau wurde das erste Geschoss des besagten Gebäudes abgetragen und ein
Aufbau in Eisenskelettbauweise aufgesetzt, wobei die Träger der Kappendecken des be-
stehenden Gebäudes verlängert und auf diese die Stützen der Außenwände für das neue
Gebäude aufgesetzt wurden. Die ausladende, viertelkreisförmige Terrasse wurde an drei
Punkten von dieser Eisenkonstruktion getragen: auf den beiden Ecken der Querwand
des alten Gebäudes und einem neuen Pfeiler (Abb. 393). Der 16 Meter lange Querträger
der Terrasse war aus drei zusammengeschweißten Breitflanschprofilen konstruiert. Die
Decken des Hauses bestanden aus Eisenbeton mit „fertig betonierten Stegen“, Kork-
platten zur Wärmedämmung, „Gefällsbeton“505, der Dachisolierung aus Aboxit-Pappe506
498 Ebd., Bescheide vom 5.11.1929, 15.3.1930, 18.2.1931, 23.2.1931 und 18.11.1931. Siehe auch:
Innendekoration 1931, S. 3-16; Eisler 1932, S. 24-33.
499 WStLA, M. Abt. 236, A16 - EZ - Reihe: Altbestand Bez. 1–9, 20: KG: Leopoldstadt, EZ: 1415,
Bescheid 5.4.1933.
500 AGS, Vertrag zwischen Atelier Franz Singer und Carl Fleischer, 4.10.1932.
501 AGS, Brief Franz Singer an Hildegard Auersperg-Hériot, 14.2.1933.
502 WStLA, M. Abt. 236, A16 - EZ - Reihe: Altbestand Bez. 1–9, 20: KG: Leopoldstadt, EZ: 1415,
Bescheide vom 5.4.1933, 12.7.1933.
503 BHA, Architektursammlung, Franz Singer, Leporello, Inv.-Nr. 7898.
504 AGS, Rechnung Hans Biel für Hildegard Auersperg-Hériot, 2.8.1933.
505 Gefällsbeton bzw. Gefällebeton ist eine Betonschicht, deren ungleiche Stärke ein Oberflächengefälle
bewirkt.
506 Aboxit war ein Baustoff der Firma Aboxit aus „hochsiedenden Ölen unter Zusatz von anorganischen
Stoffen und Asbest hergestelltes, kalt verarbeitbares Erzeugnis.“ Siehe: Mohr 1950, S. 132.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482