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Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Seite - 412 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer

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„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 412 einer zeitgenössischen Rückmeldung des Auftraggebers Erwin Reisner ablesbar, der bei Singer um Ausbesserung knarrender Fauteuils mit aufreißender Gurtbespannung bat.568 Dass die Möbel nicht seriell hergestellt wurden, mag auch ein Grund dafür gewesen sein, warum sie keine Verbreitung fanden und nur bei einem einzigen öffentlichen Auf- trag zum Einsatz kamen, dem Montessori-Kindergarten der Gemeinde Wien im Goe- thehof. Die auf der im Dezember 1929 eröffneten Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ prä- sentierten Möbel wiesen Analogien zu typisierten Möbeln zeitgenössischer DesignerIn- nen des Bauhauses und der beim Frankfurter Stadtbauamt beschäftigten ArchitektInnen auf. Der dort präsentierte Schrank Sch1 zeigt beispielsweise starke Ähnlichkeit zu Fer- dinand Kramers Kombinationsschrank. Allerdings ist kein Foto einer Einrichtung mit diesem Schrank erhalten, was nahelegt, dass er kaum AbnehmerInnen gefunden haben dürfte. Andere Möbel wie der „Kistenkasten“ oder das „Diwanbett“ wurden wiederholt bei Wohnraumgestaltungen eingesetzt, blieben aber Einzelstücke, da sie jeweils speziell für die AuftraggeberInnen hergestellt wurden. Bei Stahlrohrstühlen zeigt die Einflech- tung oder Ummantelung mit Rohrgeflecht zudem einen starken Einbezug von hand- werklichen Techniken. Erscheint der Einsatz der „rationellen“ Raumlösungen bei den von einem wohlha- benden Bürgertum in Auftrag gegebenen Klein- und Einraumwohnungen durchaus sinnvoll, so ist hingegen die Ausstattung von geräumigen Wohnungen mit jenen Mö- beln diskrepant. Im Grunde war es dort nicht notwendig, Tische, Stühle und Betten bei Nichtgebrauch in dafür vorgesehenen Schränken zu verstauen oder unter Podesten verschwinden zu lassen. Die Ateliermitarbeiterin Leopoldine Schrom kam in Bezug auf das Palästina-Projekt zu dem Schluss, dass die Verwendung von „Dreh- und Schiebebet- ten“ auch bei beschränkten Raumkapazitäten im Grunde nur „eine minimale Ersparnis an verbauten [sic!] Grund ergeben“ würde, dagegen aber hohe Kosten durch das Podium und die Einbaumöbel entstünden.569 Die Stapel-, Klapp- und Schiebemechanismen – also die funktionale Intention der Möbel und Einbauten – wurde also zu einer Art Mar- kenzeichen und hatte symbolischen Charakter. Für den Architekturhistoriker Friedrich Achleitner repräsentieren Dickers und Singer Interieurs „Ungebundenheit, Offenheit, Toleranz und – Symbol des Ganzen – [...] Mobilität“570, Assoziationen, die auch die Auftragsklientel damit verbunden haben dürfte. Wie die Kulturwissenschaftlerin Regina Bittner es dem Bauhaus attestiert hat, wurde allerdings der Anschein erweckt, als stünden diese funktionalen Objekte für eine neue „klassenlose Gesellschaft“, wobei sie dennoch 568 AGS, Brief Erwin Reisner an Franz Singer, 7.8.1929. 569 Wienerisch: schamhaft. 570 Achleitner 1988, S. 6. © 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
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Bauhaus in Wien? Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Titel
Bauhaus in Wien?
Untertitel
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Autor
Katharina Hövelmann
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-205-21316-1
Abmessungen
17.4 x 25.6 cm
Seiten
492

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Einleitung 9
  2. 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
  3. 1.2 Forschungsstand 10
  4. 1.3 Quellenlage 15
  5. 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
  6. 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
  7. 2.1 Die Zeit in Wien 27
  8. 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
  9. 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
  10. 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
  11. 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
  12. 2.2.2 Unterricht 56
  13. 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
  14. 3 Berufliche Anfänge 89
  15. 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
  16. 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
  17. 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
  18. 3.2.2 Die Auflösung 114
  19. 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
  20. 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
  21. 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
  22. 4.3 AuftraggeberInnen 140
  23. 4.4 Strategien der Bewerbung 147
  24. 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
  25. 4.4.2 Fotografie 154
  26. 4.4.3 Publikationen 157
  27. 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
  28. 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
  29. 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
  30. 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
  31. 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
  32. 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
  33. 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
  34. 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
  35. 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
  36. 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
  37. 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
  38. 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
  39. 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
  40. 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
  41. 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
  42. 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
  43. 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
  44. 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
  45. 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
  46. 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
  47. 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
  48. 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
  49. 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
  50. 5.4.5 Kachelöfen 302
  51. 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
  52. 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
  53. |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
  54. 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
  55. 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
  56. 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
  57. 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
  58. 5.5.3.1 Einwohnräume 339
  59. 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
  60. 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
  61. 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
  62. 6 Resümee und Ausblick 417
  63. 7 Anhang 425
  64. 7.1 Quellentexte 425
  65. 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
  66. 7.3 Archive und Sammlungen 431
  67. 7.4 Literatur 436
  68. 7.5 Webseiten 473
  69. 7.6 Bildnachweis 477
  70. 7.7 Abkürzungen 480
  71. 7.8 Abstract 481
  72. 7.9 Register 482
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