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419Resümee
und Ausblick
den auch Ursache dafür gewesen sein, warum sie in der Folge nicht mehr für die Atelier-
gemeinschaft tätig war. Ab 1931 verlegte Singer das Atelier in die Räumlichkeiten seiner
Privatwohnung in der Schadekgasse 18.
Seit der Gründung waren die verschiedenen MitarbeiterInnen wichtiger Bestandteil
der Ateliergemeinschaft. Zum Kern dieser im Hintergrund arbeitenden ArchitektInnen
gehörten Bruno Pollak, Leopoldine Schrom, Anna Szabó und Hans Biel. Sie fertigten die
aufwendigen Perspektivzeichnungen und isometrischen Axonometrien an und waren in
den Entwurfsprozess von Möbeln, Raumgestaltungen und Bauten stark einbezogen. Es
erscheint hier vielversprechend, in weiterführenden Studien der Frage nachzugehen, wie
sich das am Bauhaus Gelernte von Dicker und Singer im eigenständigen Werk der bisher
unerforschten MitarbeiterInnen auswirkte.
Die Bewerbung und Kundenakquise erfolgte über die Beteiligung an Messen wie der
Kunstschau 1927 und der Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ 1929/1930 im damaligen
Museum für Kunst und Industrie, auf denen auch kleine Möbel-Modelle und axono-
metrische Zeichnungen präsentiert wurden. Einen großen Stellenwert nahmen zudem
die zahlreichen publizierten Fotografien und Besprechungen ihrer Möbel und Projekte
in Architekturzeitschriften, Magazinen und Büchern ein. Nachweislich wurde beispiels-
weise die niederländische Firma Metz & Co über diese Veröffentlichungen auf das Wie-
ner Atelier aufmerksam.
Die Auftragsklientel stammte vorwiegend aus dem familiären Umfeld und dem
Freundes- und Bekanntenkreis von Dicker und Singer. Ausnahmen bildeten der von
der Gemeinde Wien erteilte Auftrag für die Einrichtung des Montessori-Kindergartens
im Goethehof, das Projekt „Möbelhilfe“ und die zwei nicht ausgeführten Projekte in
Zusammenarbeit mit dem Verein „Jugend in Arbeit“: der Ausbau des Alten Rathauses zu
einem Jugendhort, einer Volksbibliothek und einer „Kunststelle“.
Zu den zu Beginn aufgestellten Forschungsfragen, wie sich das am Bauhaus Gelernte
in Dickers und Singers Atelierarbeit niederschlägt und ob Parallelen zu Wiener Entwer-
ferInnen und ArchitektInnen feststellbar sind, kann abschließend Folgendes festgehalten
werden:
Formal orientieren sich die Möbel der Jahre 1925 bis 1929 an Entwürfen des Bau-
hauses, das ab 1922 durch die De Stijl-Bewegung – insbesondere die Entwürfe Gerrit
Rietvelds – und den russischen Konstruktivismus geprägt war. Charakteristisch ist der
Einsatz von Elementarformen, der Kubus als Formgrundlage, ein gerüsthafter Aufbau,
bandartig umlaufende Holzrahmen, die Kombination unterschiedlicher Holzarten, far-
bige Beizungen und Lackierungen sowie die Multifunktionalität und die damit einher-
gehenden Klapp-, Schiebe- und Stapelmechanismen. In der Verwendung geometrischer
Elemente lassen sich auch formale Parallelen zu Möbeln von Josef Hoffmann und Kolo-
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482