Page - 96 - in Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi - Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
Image of the Page - 96 -
Text of the Page - 96 -
96 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
des ungarischen Königs Matthias gefundenen Inschriftstein.402 Das doppelte Vor-
kommnis und die eigenhändige Korrektur des Wortes „Regis“ auf fol. 162v deuten
darauf hin, dass Fuchsmagen für diese Fundmitteilung aus einer Quelle geschöpft
hat. Er gibt auch den Wortlaut der Inschrift wieder, allerdings in Minuskeln ohne
Zeilentrennung, sodass bei flüchtigem Lesen der Eindruck entstehen kann, es handle
sich hier um normalen Lauftext der Randbemerkung. Diesen potentiellen Irrtum
nährt auch der Inschrifttext, der nicht gerade typisch ist für eine angeblich römer-
zeitliche Inschrift. Tatsächlich handelt es sich hier um ein „Werk“ des gebürtigen
Italieners Antonio Bonfini (1434–1503), der lange Zeit am Hof des Ungarnkönigs
Matthias Corvinus als Geschichtsschreiber wirkte und als solcher vor allem in der
älteren Literatur nach seinem stilistischen Vorbild „ungarischer Livius“ genannt
wird. In seinem Werk „Rerum Hungaricarum decades“, das erstmals 1543 in Basel
gedruckt wurde, bringt er sein reges archäologisches Interesse zum Ausdruck und
streut gelegentlich auch antike Belege in den Text ein.403 Da die Bezeichnung „Aquin-
cum“ für die römerzeitliche Stadt auf dem heutigen Budapester Gebiet verloren
gegangen war, konnte Bonfini eine Inschrift erfinden, um die Herkunft des
(angeblichen) früheren Ortsnamens „Sicambria“ zu „belegen“.404 Ein Textvergleich
hat zum Ergebnis, dass Fuchsmagen die Information über den (angeblichen) „In-
schriftenfund“ aus dem Werk von Bonfini gekannt haben muss. In seiner Marginal-
notiz auf fol. 82v zitiert er aus dem Geschichtswerk allerdings nicht wörtlich – im
Unterschied zu fol. 162v, wo er nur geringfügig von Bonfinis Text abweicht.405
Die besagte Fälschung wurde im CIL III unter der Nummer 183* verzeichnet.406 Weil
Bonfinis Werk zwar um 1480 entstanden ist, jedoch erst 1543 in Basel gedruckt
wurde, wird das (vermeintlich ältere) Werk von Apianus/Amantius als Erstbeleg
genannt. Auch Jacob Grimm hatte zuvor gemeint, dass die Inschrift „aus Apianus in
Bonfini [...] und in Lazius [...] aufgenommen“ wurde.407 Tatsächlich ist es aber umge-
kehrt und Wolfgang Lazius hängt hier wie so oft vom Druckwerk des Apianus ab.
Wie Apianus/Amantius von der Inschrift Kenntnis erhielten, ist (noch) nicht bekannt;
es ist allerdings bereits an dieser Stelle die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass
Johannes Fuchsmagen ein Glied in der Überlieferungskette zwischen Bonfini und
Apianus/Amantius darstellt.408
402 „Lapis Bude tempore Mathie Regis hungariae efossus […]“ (fol. 82v) bzw. „Tempore Regis [sic!] Matie
Regis hungarie Lapis in Antiqua Buda efossus est […]“ (fol. 162v). Lhotsky, Quellenkunde 435, nennt
nur fol. 82v.
403 Antonius de Bonfinis, Rerum Ungaricarum decades tres, Basel 1543. Zu Leben und Werk des Autors
siehe die ausführliche Einleitung zur Textedition von I.[=Jozsef] Fógel u. a. (Hrsg.), Antonius de
Bonfinis, Rerum Ungaricarum Decades I, Leipzig 1936, V–LIV.
404 Vgl. Heinrich Horvath, König Matthias und die Kunst, in: Ungarische Jahrbücher 20 (1940) 194;
János Szilagy, Acquincum, Budapest 1956, 117 und Pauly, RE Suppl.-Bd. 11, s. v. Acquincum, Stutt-
gart 1968, 130.
405 Bonfini, Rerum Ungaricarum decades I 1, 23.
406 Apianus/Amantius, Inscriptiones 492,3.
407 Jacob Grimm, Geschichte der deutschen Sprache, Leipzig 1848, 523.
408 Siehe Kap. 7.3.2 und 10.5.2 (Pkt. 2).
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548