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144 | Der sogenannte Antiquus Austriacus
wurde, ergänzen die beiden Sammlungen einander nahezu perfekt! Dadurch ließe
sich auch erklären, weshalb bei Augustinus Tyfernus fast alle Inschriften fehlen, für
die im CIL „Antiquus Austriacus“ als Erstbeleg angegeben ist: Weil er ohnehin
wusste, dass sie bereits in dieser anderen, etwas älteren Sammlung enthalten waren?
Nach einem Blick auf die Humanisten, die sich am Ende des 15. Jahrhunderts mit
Inschriften aus Noricum (und Pannonia) beschäftigten, erscheint es kaum glaubhaft,
dass sich eine bisher gänzlich unbekannte Person hinter dem Pseudonym „Antiquus
Austriacus“ verbirgt. Der entsprechende Humanistenkreis war doch relativ über-
schaubar, d. h., man stößt bei der Forschungsarbeit immer wieder auf dieselben
Namen. Die wenigen, von denen wir zwar Interesse für römerzeitliche Inschriften,
aber keine (erhaltenen) epigraphischen Sammlungen kennen, sind Cuspinianus,
Celtis und Fuchsmagen. Cuspinianus hat wohl bereits Inschriften als Quellen für
seine historischen Schriften verwendet, sich aber nicht der „Grundlagenforschung“
verschrieben, indem er dieses Quellmaterial in größerem Umfang gesammelt hätte.
Konrad Celtis dürfte vor allem aufgrund anderer Fähigkeiten und Vorlieben aus-
scheiden. Er mag vielleicht den einen oder anderen (kleinen) Beitrag zur Sammlung
geleistet haben, trat aber mit einiger Sicherheit nicht als Inschriftensammler in größe-
rem Umfang auf. Celtis scheint sich vielmehr damit begnügt zu haben, die alter-
tumskundlichen Sammlungen seines Freundes Konrad Peutinger auch als die seinen
zu betrachten und diese gelegentlich zu vergrößern.615
Wie aber sieht es mit Johannes Fuchsmagen aus? Von ihm ist bereits bekannt, dass er
römerzeitlichen Inschriften eine außerordentlich große Aufmerksamkeit entgegen-
brachte. Er besaß solche sowohl in Form von Originalen als auch in Form von Text-
abschriften, die er dem humanistischen Usus gemäß interessierten Zeitgenossen wie
Konrad Peutinger zur Verfügung stellte. Eine Kopie der Inschriftensammlung von
Fra Giovanni Giocondo (CT 3569) benutzte, korrigierte und ergänzte er mit eigenen
Abschriften. Diesem Codex ist zu entnehmen, dass Fuchsmagen äußerst genau und
zuverlässig gearbeitet hat, sich aber um Zeilentrennungen in den Inschrifttexten nur
in Ausnahmefällen – bei Epigrammen – gekümmert hat.616 Dies muss jedoch nicht
zwangsläufig bedeuten, dass er bei anderen, möglicherweise späteren Abschriften
dieses Manko beibehalten hat.617
Zudem könnte er sich auch (teilweise?) auf Zuschriften und Beiträge von Huma-
nistenkollegen gestützt haben, da es ihm an Kontaktpersonen und entsprechenden
Gelegenheiten keineswegs mangelte. In diesem Fall würde es sich bei der Sylloge des
„Antiquus Austriacus“ um eine Sammlung im ureigensten Wortsinn handeln – eine
614 Vgl. Mommsens Formulierung a. a. O. (vorhergehende Anm.): „Tyffernus [...] huiusce syllogae
notitiam aliquam iam videatur habuisse.”
615 Siehe Kap. 3.3.
616 Siehe Kap. 3.4.
617 Auch Konrad Peutinger hat in seinen beiden Handschriften (SuStBA 2° Cod. H 23 und 24) bei den
norischen Inschriften keine Zeilentrennung. Vgl. dazu Kap. 8.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548