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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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48 dem Haupt trägt sie, wie schon im Entwurf angedeutet, die rudolfinische Hauskrone137, die nach der Gründung des österreichischen Kaiserstaates zur Insignie des neuen Kaisertums geworden war. Österreich ist hier zunächst als Kaiserstaat Österreich zu verstehen, repräsentiert durch die rudolfinische Krone, die schon Johann Martin Fischers 1812 geschaffene Brunnenfigur für den Platz am Hof als Personifikation der Österreichischen Nation – und nicht etwa des Erzherzogtums – auswies.138 Zugleich wird durch den Weisgestus der Austria auf den rot-weiß-roten Bindenschild die Bedeutung des Erzherzogtums unter der Enns als Kernland für das gesamte Kaiserreich betont. Der Bindenschild war ursprünglich das Hauswappen der Babenberger und wurde bald zum gemeinsamen Wappen ihrer Besitzungen in der Marcha Orientalis, die etwa dem Gebiet des heutigen Nieder- und Oberösterreich139 ent-sprach. Zusammen mit dem Lerchenwappen wurde er auch von den Niederösterreichischen Ständen geführt und 1804 zum Herzschild des Wappens des Kaiserhauses. Die Austria fasst hier mit den ihr beigegebenen Allego-rien einen Leitgedanken des Zyklus zusammen, der von allen umgebenden Bildern aufgenommen und gleichsam in geschichtlichen Ereignissen belegt und veranschau-licht wird: die konstitutive Bedeutung Niederösterreichs für die Geschichte und Entwicklung des gesamten Kai-serreiches als Ursprung und Bühne schicksalhafter Bege-benheiten, die ihre Wirkung weit über die Grenzen des Erzherzogtums hinaus entfalten sollten. Der Austria ist die Personifikation der Religion zur Seite gestellt, die sich leicht zu ihr herabneigt und ihren Das erhobene Schwert der Justitia im zweiten Gesamtent-wurf des Freskenzyklus liegt in der letztgültigen Version im Schoß der Frauenfigur, während sie stattdessen die Waagschalen hochhält. Die Weisheit ist in dem Entwurfs-blatt bereits so angelegt, wie sie auch in der endgültigen Fassung erscheint: vom Betrachter abgewandt, blickt sie in einen Spiegel, den sie in der Rechten hält. Die Stärke rechts von der Austria befindet sich in der Fresko-Ausfüh-rung nicht neben, sondern vor dem Löwen, den sie bis auf den Kopf verdeckt. Während sie im Entwurfsblatt den linken Arm auf einer Säule abstützt und ihre rechte Hand auf dem Kopf des Löwen ruht, stützt sie im Fresko den nun nachdenklich geneigten Kopf in die Linke, der rechte Arm ist abgewinkelt und die rechte Hand berührt nun nicht mehr den Löwen, so dass die Verbindung zu ihrem Attribut weniger ausgeprägt ist. Im Unterschied zum Entwurfsblatt, in dem ihre Beine parallel zueinander stehen, wird die Allegorie der Stärke im Fresko mit über-einandergeschlagenen Beinen dargestellt. Ihre Haltung gewinnt durch diese Änderungen einen kontem plativeren Ausdruck, sie wirkt ruhiger und weniger dynamisch als in der Entwurfszeichnung. Rechts im Vordergrund wurde im Fresko die Figur der Geschichte hinzugefügt, die im Entwurf und der dazugehörigen Skizze nicht auf-scheint. Sie sitzt mit dem Rücken zum Betrachter, den Kopf stützt sie auf ihre Linke und ist offenbar mit der Verfassung eines Schriftstückes beschäftigt. Als Attribute sind ihr ein Globus, Bücher und Schriftrollen beigegeben. Die in der Einführung zum 1851 erschienenen Erläu-terungstext erwähnte Beifügung eines wichtigen Punktes zu einem Hauptgemälde136 durch Graf Kübeck bezieht sich wahrscheinlich auf die Personifikation der Geschichte. Diese Erweiterung der allegorischen Szene erscheint symptomatisch für die Entstehungszeit des Gemäldes, in der die gemeinsame Geschichte zum wich-tigsten Argument für das durch erstarkenden Nationalis-mus in Frage gestellte Konstrukt des österreichischen Kaiserreiches wurde. Dem Freskenzyklus selbst ist die Geschichte als konnektive Struktur einer sonst divergen-ten Gemeinschaft programmatisch vorangestellt: Nicht auf den tradierten Herrschertugenden Gerechtigkeit, Klugheit und Stärke allein gründet sich der Staat, son-dern, im Sinne Hormayrs, vor allem auch auf seine Geschichte. Am wesentlichsten – und bedeutungsvollsten – wird in der Endausführung die Figur der Austria selbst verän-dert. Der herrschaftliche Gestus, die frontale Zuwen-dung, der ausgebreitete Arm und der erhobene Blick weichen einer introvertierten und zurückgenommenen Haltung. Ihre Linke weist nun auf den österreichischen Bindenschild, den die Austria in der Rechten hält. Auf 136 Erläuterungstext zur Stichfolge: Die Al­ Fresco­ Malereien im Saale der k. k. Statthalterei zu Wien, ausgeführt von Kupelwieser. Wien o.J. (um 1850) o.S.137 Bei Krasa-Florian wird die Krone irrtümlicherweise als „Erzher-zogshut“ bezeichnet. Vgl.: Krasa-Florian (2007) p. 19. Schon in der Aquarellskizze wird der Austria von einem Engel die Rudolfs-krone überreicht (Aquarellentwurf, Niederösterreichisches Lan-desmuseum, Inv. Nr. 7000/ 349). Die sog. „Rudolfskrone“ stammt aus der Prager Hofwerkstatt Rudolfs II. Sie wurde nie bei Krönun-gen römischer Könige oder Kaiser verwendet, war aber kaiser-liches Rangabzeichen auf Siegelbildern und Wappen der römisch (-deutschen) Kaiser und daher dem Publikum vertraut. Vgl.: Bruckmüller (1997) p. 14.138 Krasa-Florian (2007) p. 55.139 Niederösterreich und Oberösterreich waren von der Regierungs-zeit Maximilians I. bis zur Regierungszeit Maximilians II. zusam-men mit der Steiermark, Kärnten und Krain in einer Verwaltungs-einheit, dem „Regiment der fünf Niederösterreichischen Lande“, zusammengefasst. Die fünf Länder wurden als „Niederösterreich“ bezeichnet, „Oberösterreich“ beschrieb zu der Zeit die Grafschaft Tirol und Vorarlberg. Bis 1783 war die nun als „Niederösterreichi-sche Repräsentation und Kammer“ bezeichnete niederöster-reichische Regierung für die Verwaltung Niederösterreichs und Oberösterreich zuständig, erst danach war sie nur noch für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns zuständig. Vgl.: Starzer (1897) p. 5 und p. 5, Anm. 1.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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