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50 kurzerhand zur Austria umgedeutet, um
Missverständ-nisse
zu umgehen.148 Möglicherweise war Kupelwieser die
Darstellungsform der Austria mit Mauerkrone aus diesem
Grund geläufig. Eine Deutung der Mauerkrone als
Sinn-bild
des freien Bürgertums scheint jedenfalls in diesem
Zusammenhang nicht sinnvoll.
Eine weitere Version der Austria-Allegorie, die
Kupel-wieser
ebenfalls im ersten Programmentwurf erwähnt, ist
als Vorstufe zur in Fresko ausgeführten Darstellung
auf-zufassen.
Eine entsprechende Darstellung findet sich auf
dem ersten Gesamtentwurf als zentrales
Deckenge-mälde149
bzw. auf einem Entwurf auf Transparentpapier150
sowie einem Aquarellentwurf151, wobei die Darstellungen
auf dem Gesamtentwurf und auf der Pause auf
Transpa-rentpapier
genau übereinstimmen. (Abb. 50–52)
Im Aquarellentwurf hat die Austria den „Blick gegen den
Himmel gekehrt von wo ihr stets Heil und Segen zugeflos
sen“152, womit die in der letztgültigen Fassung in personam
auftretende Religion schon angedeutet wird. Die beiden
Putti tragen hier ein Zepter und die auch später im Fresko
dargestellte rudolfinische Hauskrone. Auf dem ersten
Gesamtentwurf bzw. der Pauszeichnung überreicht
hin-gegen
ein geflügelter Genius der Austria den
rot-weiß-roten
Bindenschild. Möglicherweise nahm Kupelwieser
damit das in die Zeit der Aufklärung zurückgehende
Motiv des Schutzgeistes Österreichs auf. Eine frühe
Dar-stellung
davon findet sich in Cosmas Damian Asams
Fres-ken
in der Domkirche von St. Jakob in Innsbruck von
1722/23. Hier trägt der Schutzgeist oder Genius des
Vaterlandes Schwert, Bindenschild und
Herrscherinsig-nien.
In Daniel Grans Deckenfresko im Kaisersaal von
Klosterneuburg von 1759 kniet der Schutzgeist vor der
österreichischen Majestät und reicht ihr den Reichsapfel
und die Kaiserkrone.
Nach der Interpretation von Selma Krasa-Florian
stellt das Schutzgeist-Motiv einen Übergang von der
absolutistischen Vorstellung zu einer Trennung von
Herr-scher
und Staat bzw. Vaterland als Folge der Aufklärung
dar.153 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm der Bild-
Die Austria kniet hier vor dem Thron des Herrschers, der
ihr den Reichsapfel und ein Buch, Symbol für die
schrift-lich
ausgearbeiteten Grundlagen der Regierung,
über-reicht.
Deutlich orientiert sich Kupelwieser hier noch
an barocken Vorbildern, in denen die Austria dem
Herr-scher
im Sinne des Absolutismus untergeordnet ist.
Ähn-liche
Darstellungen finden sich etwa in dem Deckenfresko
des Kaisersaales in St. Florian von Martino Altomonte, in
Johann Michael Rottmayrs nicht mehr erhaltenem
Decken-fresko
für Schönbrunn oder auch in Antonio Beduzzis
Austria Allegorie in dem der Niederösterreichischen
Statt-halterei
unmittelbar benachbarten Gebäude des
Nieder-österreichischen
Landhauses. Stets huldigt die Austria
dem Herrscher, der in den Gemälden durch Jupiter,
Her-kules
oder die Providentia repräsentiert wird, oder
wen-det
sich schutzsuchend an ihn, worin sich die Vorstellung
der Zeit von der unbedingten Vorrangstellung des
Regen-ten
gegenüber den von ihm beherrschten Ländern
aus-drückt.144
Dass diese Darstellungsform gerade im
Neoab-solutismus
wieder als zeitgemäß erkannt wurde, zeigt ein
Entwurf des Malers Johann Schärmer für ein Denkmal
Franz’ I., der nach dessen Tod 1835 entstand. Er zeigt
Franz I. im kaiserlichen Ornat, der die vor ihm kniende
Austria segnet; für die Sockelreliefs war zusätzlich noch
eine Darstellung des thronenden Kaisers, flankiert von
der Religion und dem Schutzgeist Österreichs,
geplant.145In
der Literatur wurde bereits mehrfach ein Bezug von
Kupelwiesers Austria-Allegorie zum unmittelbar
benach-barten
Landhausfresko Antonio Beduzzis aus dem Jahre
1710 hergestellt.146 Allerdings thront hier in der Mitte der
Decke die göttliche Vorsehung in Gestalt einer Königin
mit Krone und Zepter; die Austria wird im Herzogsmantel
vor ihr kniend und ihr huldigend dargestellt. Während
aber hier das ikonographische Programm mit den
Perso-nifikationen
der vier Weltteile die Idee der Austria
Trium-phans
paraphrasiert, beschränkt sich die
Austria-Allego-rie
des Statthalterei-Zyklus, ganz ohne imperialen Gestus,
auf die Geschichte des österreichischen Kernlandes.
In Kupelwiesers Skizzenblatt trägt die Austria
auffallen-derweise
eine Mauerkrone, wie sie gewöhnlich die
Stadt-göttinnen
der Antike trugen, und mit der auch Daniel
Gran die Personifikation der Residenzstadt Wien in
sei-nem
Deckenfresko in der Hofbibliothek bekrönte.147 Auch
die von der Wiener Bürgerschaft gestiftete Austria-Figur
auf dem gleichnamigen Brunnen der Freyung, die Ludwig
Schwanthaler zwischen 1844 und 1846 ausführte, trägt
eine Mauerkrone. Ursprünglich war hier allerdings eine
Allegorie der Vindobona vorgesehen gewesen, umgeben
von den vier Hauptflüssen der Donaumonarchie. Da
jedoch diese Flüsse nicht der Vindobona, sondern nur
der Austria unterstellt werden konnten, wurde die Figur 144 Zur Vorstellung der Monarchia Universalis vgl.: Krasa-Florian
(2007) p. 33 –
39.145
Vgl.: Krasa-Florian (2007) p.
53.146
Vgl.: Telesko (2006) p. 378; Krasa-Florian (2007) p. 20.
147 Vgl.: Krasa-Florian (2007) p.
38.148
Ebd. p.
16.149
Erster Gesamtentwurf für die Deckengemälde, Universität Graz,
Institut für
Kunstgeschichte.150
Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr.
7000/347.151
Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr.
7000/349.152
Programmentwurf I, siehe Anhang.
153 Vgl.: Krasa-Florian (2007) p. 41.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306