Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Page - 98 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 98 - in Das zusammengedrängte Gedenken

Image of the Page - 98 -

Image of the Page - 98 - in Das zusammengedrängte Gedenken

Text of the Page - 98 -

98 Ursprungsmythos zu schaffen und reduzierte die Ereig-nisse auf eine bildlich greifbare, verdichtete und über-höhte Geschichtskonstruktion. Zur Rolle der Belehnung Albrechts I. in Geschichts­ schreibung und Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Nicht immer werden die Söhne Rudolfs bei der Beleh-nung zu Pferd dargestellt. Die Illustration zu der Szene in Anton Zieglers Gallerie der Österreichischen Vaterlandsge­ schichte354 etwa zeigt die beiden Söhne vor dem Thron des Vaters kniend das Lehen in Empfang nehmen. Entspre-chend heißt es im Text dazu: „Der Kaiser setzte diese Feierlichkeit auf den 27. December des Jahres 1282 fest, an welchem Tage er ein Hoflager zu Augsburg ausschrieb. In dem hiezu geeigneten prunkvollen Saale, im Beiseyn vieler Fürsten, Großen und Edlen des Rei­ ches und mit voller Zustimmung des Churfürsten belehnte Rudolph im kaiserlichen Ornate seine beiden vor ihm knien­ den Söhne, Albrecht und Rudolph, mit den erledigten Her­ zogthümern […].“355Weder in Zieglers späterem Werk Vaterländische Bilder­ chronik (1843 – 1849) noch Franz Ziskas Geschichte der Stadt Wien (1847) wird dieses Vorrecht der österreichi-schen Herzöge im Zusammenhang mit der Belehnungs-szene erwähnt. Carl Ruß hingegen lässt die beiden Söhne Rudolfs in seiner Darstellung des Ereignisses die Lehen zu Pferde und in herzoglichen Gewändern entgegennehmen.356 Ruß legte die Szene als einfache, strenge Komposition mit ausgeprägtem Bildzentrum an, in dem Rudolf auf einem erhöhten Thron unter einem Baldachin sitzt. Links und rechts von ihm befinden sich seine Söhne Albrecht und Rudolf, die nach den beiden Lehenfahnen greifen, die der König in Händen hält. chene Entschädigung – Ländereien im süddeutschen Raum – wurde nie übergeben. Jener zweite Sohn Rudolfs erscheint in Kupelwiesers Darstellung der Belehnung nicht und wird auch in keinem der Programm entwürfe erwähnt. Dadurch wird der geschichtliche Moment stili-siert und seine Auswirkungen – von der Ungerechtigkeit gegen Rudolf bis letzthin zur Ermordung Albrechts durch Rudolfs Sohn Johann Parricida – ausgeblendet. Geschichte wird hier geschickt vereinfacht, überhöht und jeder Ambivalenz enthoben. Bereits in der von Kupelwieser verfassten Textstelle zur Belehnung Albrechts im zweiten Programmentwurf finden eine Reduktion geschichtlicher Komplexität und Komprimierung von Ereignissen statt. Es heißt hier: „Albrecht I. erhält das Lehen Österreich von Rudolph I. in Augsburg, das Vorrecht der österr. Herzoge seyt Heinrich Jasomirgott, das Lehen zu Pferde zu nehmen, ist auf dem Bilde angebracht der Kaiser [sic!] sitzt auf dem Platze vor dem Rathause in Augsburg dessen Strasse durch die alten Häuser noch heute dieselben Umrisse zeigt (1283)“.349 Der Zeitpunkt der Belehnung (eigentlich 1282) wird auf-fallenderweise in das Jahr 1283 verlegt, in welchem der Rheinfeldener Vertrag aufgesetzt wurde. Die Ereignisse – Belehnung, Alleinanspruch Albrechts und Verzicht Rudolfs – werden hier selektiert und chronologisch ver-dichtet.350Weiter erwähnt Kupelwieser in seinem Text das auf Heinrich Jasomirgott zurückgehende Vorrecht österrei-chischer Herzöge, die Lehen zu Pferde und in herzogli-chem Gewand entgegenzunehmen. Es handelt sich dabei um ein Vorrecht, das auf einem Passus des Privilegium Maius beruht. Obwohl man zur Zeit Kupelwiesers schon die Echtheit der Österreichischen Freiheitsbriefe in Frage stellte351 und es nicht mehr als gesichert galt, dass die Belehnungszeremonie in dieser Form stattgefunden hatte, setzt die Szene eine Vorstellungstradition fort, die Albrecht mit den Vorrechten des Privilegium Maius aus-stattete.352 Nicht zuletzt ehrte Kupelwieser den habsburgischen Stammvater durch die Bezeichnung Kaiser, während Rudolf tatsächlich zeit seines Lebens römischer König blieb, da es ihm trotz seiner Bemühungen nie gelang, sich vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen.353 Wie die vorangegangene Diskussion zeigt, bemühte sich Kupelwieser in der Charakterisierung der historischen Persönlichkeiten, ihrer Kleidung und Haartracht, sowie der Wiedergabe der historischen Bühne und ihrer Requi-siten, den Kenntnisstand der Geschichtswissenschaft seiner Zeit zu berücksichtigen. Zugleich versuchte er, innerhalb seines Freskenzyklus einen habsburgischen 349 Programmentwurf II, siehe Anhang. 350 Die Datierung der Ereignisse im Erläuterungstext in das Jahr 1287 ist unrichtig. Vgl.: Kielmannsegg (1891).351 Den endgültigen Beweis für die Fälschung erbrachte Willhelm Wattenbach 1852. Siehe dazu: Petrin (1996) p. 546, Anm. 33.352 Arneth zitiert in seiner Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich den Passus: „[…] er [der Herzog, Anm.] empfängt die Lehen in seinen Landen zu Pferd, im Fürstenschmuck, den Stab in der Hand, auf dem Haupte den Herzogshut mit der Zinkenkrone.“ (Arneth 1827, p. 39f.)353 Schon Schiller spricht in seiner 1803 veröffentlichten Ballade Rudolf von Habsburg in dichterischer Überhöhung von „Kaiser“ Rudolf. 354 Ziegler (1837) Bild Nr. 7.355 Ziegler (1837) Text zu Bild Nr. 7.356 Serie von 149 Feder­ und Pinselzeichnungen zur Geschichte Österreichs von Carl Ruß, vor 1843. Bildarchiv der Österreichischen Natio-nalbibliothek Pk 783, Blatt Nr. 90.
back to the  book Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Das zusammengedrängte Gedenken