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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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118 kommandanten von Wien, des böhmischen Generals Zdenko Graf Kaplir, vorsätzlich in Vergessenheit geraten ließen.424 Trotz dieser Überhöhung bemühte sich Kupel-wieser um historische Treue im Detail und gestaltete die Figur des Feldherrn nach zeitgenössischen Stichen.425 Bischof Kollonitsch, die zweite herausragende Figur aus der Zeit der zweiten Türkenbelagerung, wurde ab den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu einem populä-ren Motiv in der vaterländischen Geschichtsschreibung wie auch in der bildenden Kunst. Wie so oft, dürfte die Anregung zu dem Gegenstand auf Hormayr zurückge-hen, der in seinem Werk zur Geschichte Wiens beschreibt, wie Kollonitsch nach der Befreiung der Stadt die verwais-ten Kinder um sich schart.426 In direktem Zusammen-hang damit steht wahrscheinlich das – nicht erhaltene – Gemälde von Carl Ruß Der Bischof Kollonitz nimmt als einzige Beute die, im türkischen Lager, dem Blutbade entron­ nene Christenkinder, das dieser bereits 1822 in St. Anna ausstellte.427 1835 folgte Edward von Steinle, der die Szene ganz im Sinne der Nazarener deutete und die selbstlose Liebe des Bischofs mit der Gier der Menschen, die das Türkenlager plündern, kontrastierte. Eine ganz ähnliche Auffassung findet man in Johann Nepomuk Vogls Ballade Bischof Kollonitsch428: In der Runde der siegreichen Hee-resleute wird mit den Schätzen geprahlt, die man im tür-kischen Lager erbeutet hat, Kollonitsch hingegen aber schweigt und lässt nur die Kinder vorführen: Die wohl bekannteste Darstellung dieses Ereignisses ist das 1837 entstandene Gemälde Der Sturm der Türken auf die Löbelbastei von Leander Ruß.418 Deutlich übernimmt Kupelwieser Elemente dieser Komposition, etwa das bewegte Kampfgetümmel in der Bresche des zerstörten Festungsbaues und den im Hintergrund über der Szene ragenden Turm des Stephansdomes. Franz Brudermann schuf 1840 ein Blatt419, welches den Stadtkommandanten Starhemberg zeigt, der mit hoch erhobenem Schwert die Wiener zum Ausfall anfeu-ert, während vor ihm Bischof Kollonitsch einen Sterben-den tröstet. Hier verdichten sich die Ereignisse des Jahres 1683 bereits um die beiden herausragenden Persönlich-keiten Starhemberg und Kollonitsch, die auch jene 1847 in St. Anna ausgestellte Komposition Starhemberg und Bischof Kollonits im Stephansdom von Anton Perger ver-eint.420 Sie illustriert eine Episode der Wiener Lokalge-schichte, gemäß der Starhemberg und Kollonitsch in den letzten Tagen der Belagerung Wiens gemeinsam auf einer steinernen Bank im Nordturm des Stephansdoms saßen und nach dem Entsatzheer Ausschau hielten. Ziska berichtet in seiner Geschichte der Stadt Wien: „Die steinerne Bank von Starhemberg und Kollonits wird heute noch [bei Führungen durch den Nordturm, Anm.] gezeigt.“421 Guido Görres beschreibt in seiner Ballade Die Befreiung Wiens Graf Starhemberg, der vom Turm des Stephans-doms Aussicht hält:„Ein Falke späht vom Felsennest/so weit, so weit ins Land,/er späht nach Ost und späht nach West/hinab, hinauf den Strand./Der Falke ist Graf Starhemberg/hoch auf dem Ste­ fansthurm;/doch Türken nur und Türken nur/sieht nahen er zum Sturm.“422 Schon Hormayr schildert in seinem Werk Wien, seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten die beiden Figuren als gemeinsam um das Wohl der einfachen Bürger des belagerten Wiens bemüht: „Im brüderlichen Bunde mit Kollonits, dem heldenmüthigen und menschenfreundlichen Bischof, war Starhemberg ebenso oft in den Spitälern, im Bäckerladen wie im Zeughause.“423 Kupelwieser schloss sich dieser Erzähltradition teilweise an, stellte die beiden Figuren Kollonitsch und Starhem-berg aber in einen größeren und komplexeren histori-schen Kontext. Graf Rüdiger von Starhemberg verfolgt in Kupelwiesers Wandgemälde mit hoch erhobenem Schwert die fliehenden Türken, eine letztlich nicht realistische Auffassung, sondern eher im Sinne einer Interpretation als zeitlose symbolische Figur des Retters von Wien. Diese Stilisierung der Person Starhembergs ist nicht zuletzt ein Produkt bewusster Konstruktionen des 19. Jahrhunderts, die unter anderem auch die Verdienste des zweiten Stadt- 418 Das Bild wurde 1838 auf der St. Anna Ausstellung gezeigt (Kunst­ werke, öffentlich ausgestellt im Gebaeude der oesterreichisch­ kaiserli­ chen Akademie der vereinigten bildenden Kuenste bey St. Anna. Im Jahre 1838, Wien 1838, Nr. 378) und danach für die Kaiserliche Gemäl-degalerie angekauft. 1841 fertigte Faustin eine Lithographie nach dem Gemälde an, welche ebenfalls in St. Anna ausgestellt wurde. 419 Das Blatt befindet sich heute im Wien Museum.420 Kunstwerke, öffentlich ausgestellt im Gebaeude der oesterreichisch­ kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Kuenste bey St. Anna. Im Jahre 1847, Wien 1847, Nr. 43. Der Stich nach dem Gemälde von Beyer wurde 1849 im Verein zur Beförderung der bildenden Künste in Wien versteigert. 421 Ziska (1847) p. 230.422 Guido Görres: Die Befreiung Wiens. Zit. nach: Pennersdorfer (1979) p. 238.423 Hormayr (1823 – 1825) 4. Bd., Heft 2, p. 161.424 Heilingsetzer (1982) p. 235. 425 Möglicherweise diente Kupelwieser ein Stich aus der Sammlung Erzherzog Karls als Vorbild. Dieser wird als bildliche Quelle für ein Porträt Starhembergs von Ludwig Schnorr von Carolsfeld zur Illustration in Ziskas Geschichte Wiens angeführt. Vgl.: Ziska (1847), Erklärung der Holzschnitte, Abb. 89.426 Hormayr (1823 – 1825) 4. Bd., Heft 2, p. 206. Dasselbe Thema wird im Taschenbuch für österreichische Geschichte, Jahrgang 1824, nochmals aufgenommen.427 Kunstwerke, öffentlich ausgestellt im Gebaeude der oesterreichisch­ kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Kuenste bey St. Anna. Im Jahre 1847, Wien 1847, Nr. G 27.428 Hormayr (1823 – 1825) 4. Bd., Heft 2, p. 289.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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