Page - 173 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Image of the Page - 173 -
Text of the Page - 173 -
173
niemals in der Mitte einer Fleischmasse, oder wo ungebro
chenes Licht ist, vorzunehmen, sondern immer nur wo Dra
perie oder sonst etwas eine bestimmte Grenze bildet. Wird
dies nicht beachtet, so ist es bei der Fortsetzung des Werkes
am nächsten Tage fast unmöglich, die Farben so zu verbin
den, daß man das Absetzen nicht gewahr werde. Die Winkel
um den Rand des vollendeten Theils müssen beim Wieder
beginn sorgfältig angefeuchtet werden, und dies ist mit einem
Pinsel fein und sorgfältig auszuführen, um auf allen Punkten
sich die genügende Nässe zu sichern und zugleich zu verhin
dern, daß das schon Fertige naß oder beschmutzt werde. Aus
demselben Grund ist es gerathen, mit dem oberen Theile des
Bildes zu beginnen; denn wenn der untere zuerst vollendet
wird, so fließt das Wasser beständig von oben über die fri
sche Malerei herab. Kann ein vorgekommener Fehler anders
nicht verbessert werden, so ist der Theil, wo es sich befindet,
sorgsam herauszuschneiden, und die Procedur für diesen
Theil zu erneuern. In der vollendeten Freske endlich lässt sich
die Tiefe der Schatten oft noch vermehren; auch lassen sich
Theile abrunden, abglätten oder mildern dadurch, daß man
Linien von der erforderlichen Farbe mit einem nicht zu nas
sen Pinsel und mit Essig und Eiweiß als Medium einschraf
fiert. Solche Retouchen helfen aber unter freiem Himmel
nichts, da der Regen sie auswäscht.“582
Ernst von Wolzogen wirbt in seiner Cornelius-Biographie
um Verständnis für die Eigenart der Technik und deren
Spezifik:„Mag
nun auch Sir Charles Eastlake, der jüngst verstorbene
Präsident der Londoner Maleracademie, recht gehabt haben,
indem er behauptete, die Fresken des Rafael im Vatican stün
den sehr viel höher, als Alles, was in München gemacht wor
den, selbst wenn man dabei nur die technische Procedur in’s
Auge fasse, – dennoch möchte ich es hier noch einmal ein
dringlich hervorheben, daß man dem Cornelius meiner
Ansicht nach entschieden unrecht thut, indem man ihm auch
bei seinen Arbeiten a fresco allen Farbensinn schlechthin
absprechen will. Ich sehe vielmehr in dem, was hier auf den
ersten Blick, und namentlich dem mit modernen Ansprüchen
davor hintretenden Beschauer ungenügend und abstoßend
erscheint, weit weniger Zeugniß eines Nichtkönnens, als viel
mehr häufig das eines bewussten Nichtwollens. Es ist für
mich unzweifelhaft daß in dem sicher absichtlichen Verzicht
auf gewisse, heute ganz allgemein angewendete, malerische
Effekte, ja sogar in der geflissentlichen Nichtbenutzung
gewisser Farben, selbst wo sie, naturalistisch betrachtet,
schlechthin geboten erscheinen, wie ich dies bereits früher
gesagt habe, ein wohlüberlegtes Anklammern an ein festes,
künstlerisches Prinzip anerkannt werden muß, an ein Prinzip
freilich, das, völlig unpopulär, eben nur der Kunst angehört,
Ebene festgesetzt hat, so wird ein Fuß hoch oder noch mehr
reiner Flusssand darüber gestreut, um die Luft abzuhalten,
und endlich das Ganze mit Erde bedeckt. Es muß aber reiner,
harter und nicht zu dunkler Sand zur Mischung mit dem Kalk
genommen werden; die Anwesenheit irgendwelcher erdiger
Bestandtheile in dem Mörtel würde das Freskobild ganz rui
nieren. Ueberdieß verlangt Heinrich Maria v. Heß, daß der
Sand, um ihn von thonigen oder salzigen Bestandtheilen zu
säubern, sehr sorgfältig gewaschen und dann in der freien
Luft getrocknet werde. Die letzte Bekleidung von Kalk auf
der Mauer, ehe man mit der Freskomalerei beginnt, wird
intonaco genannt. Dies sind die Präliminarien. Nun kommt
die Malerarbeit selbst. Die Maueroberfläche wird wieder und
immer wieder naß gemacht, bis sie das Wasser einzusaugen
aufhört. Während des ganzen Prozesses des Fresko=malens
darf aber nur Regen= oder kochendes und destilliertes Was
ser gebraucht werden. Eine dünne Bekleidung von Mörtel
wird dann auf denjenigen Theil der Mauer gelegt, der
zunächst bemalt werden soll; die Oberfläche dieser Beklei
dung muß ziemlich rauh sein. Sobald sie sich zu setzen
beginnt (d.h. in zehn Minuten oder mehr, je nach Jahreszeit)
wird eine zweite dünne, aber etwas fettere, d.h. aus mehr Kalk
und weniger Sand bestehende Bekleidung aufgelegt. Nun
traciert man, wie bereits angegeben, den Umriß mit einem
scharfen Griffel auf dem Mörtel, und der Maler beginnt die
Arbeit, wenn die Oberfläche in einem solchen Zustand ist,
daß man sie mit dem Finger kaum einzudrücken vermag. Ist
sie noch so naß, daß sie mit dem Pinsel aufgerührt werden
kann, so wird sich dieser mit Sand füllen. Beginnt sie zu
trocknen, und will sie die Farbe nicht gut annehmen, dann
muß der Maler den Mund mit Wasser füllen und die Ober
fläche damit besprengen. Die zuerst angebrachten Farben
dringen ein und verblassen; man muß sie daher mehrmals
übergehen, ehe der volle Effekt sichtbar wird. Allein nach
einiger Zeit, und besonders wenn die Oberfläche nicht von
Zeit zu Zeit angefeuchtet wird, mischt sich die übergestri
chene Farbe nicht mehr mit der unteren. Es ist üblich, die
Farben auf einem Backstein oder Ziegel, welcher Feuchtigkeit
aufsaugt, zu probieren, um den Wechsel kennen zu lernen,
dem sie beim Uebergang von Naß zu Trocken ausgesetzt sein
werden. Die größte Sorgfalt ist bei der Präparierung der
Farben auf der Palette anzuwenden; denn sonst wird das
Freskogemälde, sobald es trocken ist, ganz streifig erschei
nen, obschon nichts davon sichtbar, so lang es naß war. […]
Die vorschriftsmäßigen Pinsel bestehen aus Schweins
borsten;
dazu kommen aber noch kleine Pinsel von Otterhaaren.
Keine anderen Haare widerstehen der Wirkung des Kalkes.
Die Pinsel müssen eher noch langhaariger sein, als die, wel
che zur Oelmalerei benutzt werden. Am Ende jedes Tagwerks
ist der Mörtel, der über den vollendeten Theil hinaus auf der
Mauer noch vorhanden, fortzuschaffen. Beim Wegschneiden
desselben hat man jedoch darauf Acht zu geben, den Schnitt 582 Zit. nach: Wolzogen (1867) p. 118 – 121.
back to the
book Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306