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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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Page - 210 - in Das zusammengedrängte Gedenken

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210 lerieräumen, wenn das historische Museum [Rüstkammer, Anm.] darin aufgenommen wird, bleibend aufgestellt und durch Ankauf erworben werden. Die Summe, die ich erhalte, wird nicht sehr bedeutend sein, ich werde mich aber glücklich schätzen, diese Werke einer so schönen Sammlung einverleibt und passend aufgestellt zu sehen, um so mehr, als bei der Uebereilung der Ausführung in den Kaisersälen, zum Theil auf noch nasse Mauern, die Cartons bald eine größere Bedeutung erlangen könnten als die Malereien.“785 Wie sehr sich der Karton vom ausgeführten Wandbild emanzipierte, zeigt nicht zuletzt auch das Spätwerk Cor-nelius’, der in Berlin seine Kartons mit enormen Ausma-ßen für den Camposanto-Zyklus weiterzeichnete, als eine Umsetzung der Pläne längst unrealistisch geworden war. In der Rezeption überzeugte – zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – die Kartonkunst oftmals mehr als das ausgeführte Fresko. Als Joseph Schlotthauer 1844 auf Bitte des nach Rom gereisten Cornelius dessen in München zurückgelassene Kartons für die Ludwigskir-che und die Glyptothek auf die Kunstausstellung nach Berlin schickte, schrieb er an Cornelius: „Ich kann wohl sagen, daß ich diese Cartons nur mit Wehmut aus den Händen gelassen habe, obschon wir hier die Gemälde besitzen. Aber diese sind nicht alle von Deiner Hand; und selbst auch da, bei aller höhern Vollendung und Ausbildung bleibt jenen doch noch immer ein gewisser Vorzug durch den Schwung des ersten Schaffenden Gedankens.“786In Wien scheint dem Publikum noch in den 1870er Jah-ren, lange nach dem eigentlichen Höhepunkt der Kar-tonkunst, die Ausführung als monumentale Zeichnung zuweilen zugänglicher gewesen zu sein als die farbige Umsetzung an der Wand. Über die Aufnahme der Fresken in der Altlerchenfelder Kirche, für die Joseph von Führich die Kartons zeichnete und die er mit Hilfe von Kupel-wieser und Dobiaschofsky 1854 – 1861 ausführte, schreibt Ludwig Hevesi: „Erst als man nach seinem [Führichs, Anm.] Tode die Car­ tons desselben ausstellte, erkannte das grosse Publicum, das selten nach Altlerchenfeld geht und eigentlich vor der dorti­ gen Buntheit immer respectvoll erschrocken ist, welche Fülle von Leben und Naturgefühl der ehemalige Hirtenknabe aus Böhmerland selbst in diese theologische Begriffswelt hinein­ gebracht hat.“787 den. Auch anhand schriftlicher Quellen – vor allem in Briefen der Künstler selbst – lässt sich dieser Autonomi-sierungsprozess zum eigenständigen Kunstwerk verfol-gen. So schrieb Cornelius, als sich die Bauarbeiten an der Ludwigskirche verzögerten: „Ist dann der Karton zum Hauptbilde, des Jüngsten Gerichts, und jener für das mittlere große Gewölbe, die Gemeinschaft der Kirche, gemacht, so sind die eigentlichen Schwierigkeiten überwunden, die Aufgabe als gelöst zu betrachten, und mit der Ausführung al fresco kann, wenn es einmal dazu kommt, umso rascher verfahren, unterdessen aber der schicklichste Zeitpunkt umso ruhiger abgewartet werden.“781 Auch in Schnorr von Carolsfelds Schaffen löste sich der Karton zunehmend aus dem Zusammenhang der Werkge-nese und verlor dadurch zunächst an Bedeutung innerhalb des künstlerischen Prozesses, der dem Wandbild voran-ging. In einer Tagebucheintragung von 1845 heißt es dazu: „Die Ausführung großer Kartons aufgebend, verfertigte ich kleine genaue Zeichnungen und Farbenskizzen und zeich­ nete im großen nur die Umrisse.“782 1846 schrieb er: „Die Anfertigung kleinerer genauer Zeichnungen und sorgfäl­ tiger Farbenskizzen bewährt sich als zweckmäßig; einerseits finde ich dieses Verfahren ausreichend, andererseits viel grö­ ßere Sicherheit hinsichtlich des Malens im großen gewährend als die Anfertigung großer Kartons ohne Farbenskizze.“783 Zugleich gewann der Karton jedoch als eigenständiges künstlerisches Medium an Wichtigkeit und wurde zuneh-mend zum Selbstzweck: „Die zwei größeren Kompositionen für den letzten Saal ,Der Kampf an der Stiege‘ und ,Der Nibelungen Ende‘ habe ich in zwei flüchtigen Zeichnungen ins reine gebracht. Von letz­ terem Bilde gedenke ich in Dresden wieder einen großen Karton zu zeichnen, weil ich die Komposition für gelungen und es für richtig halte, an meinem neuen Bestimmungsort gleich mit einer tüchtigen Arbeit aufzutreten.“784 Die beiden Kartons entstanden, als Schnorr von Carols-feld von München, wo die Malereien ausgeführt werden sollten, nach Dresden zog. Der räumliche Bezug des Künstlers zu den Fresken ging in der Folge zunehmend verloren, und auch ein direkter zeitlicher Zusammen-hang mit der Umsetzung als Wandgemälde fehlte, die Kartons entstanden also nicht mehr unmittelbar wäh-rend des Werkprozesses. In den Jahren danach ging diese Entwicklung weiter, bis Schnorr den Kartons schließlich einen noch höheren Wert beimaß als den Fresken selbst. So schrieb er 1853 an den Kupferstecher Julius Thaeter: „Im Vertrauen gesagt, ist einige Aussicht vorhanden, daß diese sämtlichen historischen Cartons in den jetzigen Gal­ 781 Zit. nach: Foerster (1874) 2. Bd., p. 86.782 Zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 44.783 Ebd. p. 44.784 Tagebucheintrag von 1846, zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 44.785 Zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 36.786 Brief von Schlotthauer an Cornelius, München, 1. Juli 1844, zit. nach: Foerster (1874) 2. Bd., p. 251. 787 Hevesi (1900) p. 12.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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