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212 Dokument eines umfangreichen restauratorischen
Ein-griffs
Bedeutung und soll deshalb in vollem Wortlaut
wiedergegeben werden.
„Reinigung eines Cartons; von Wilhelm Kubel, Der herrliche
Carton von Elster, Christi Einzug in Jerusalem darstellend,
beiläufig 9 1/2 Fuß lang und 5 1/2 Fuß hoch, war auf der Reise
nach Meiningen zur Cartonausstellung, in einen Zustand
versetzt, der als ein hoffnungsloser galt. Die Kiste, worin er
aufgespannt und mit einem grünen Vorhange bedeckt, ver
packt worden war, zerbrach nämlich und blieb längere Zeit
dem Regen ausgesetzt. Der Carton erschien wie mit einer
blaugrünen Farbbrühe übergossen, und ein großer Theil der
Figuren war dadurch ganz unsichtbar geworden.
Herr Professor Otto, an welchen sich Herr Elster gewandt
hatte, veranlaßte Herrn Kubel, die Reinigung zu versuchen
und zwar mit einer Lösung aus Chlorkalk, die mit etwas Sal
petersäure versetzt ist, welche bei vorläufigen Versuchen sich
wirksam gezeigt hatte. Der Versuch hat so ein befriedigendes
Resultat ergeben, daß eine speciellere Beschreibung dessel
ben gerechtfertigt erscheinen dürfte. Zur Darstellung der
Bleichflüssigkeit wurden etwa 1 1/2 Pfund Chlorkalk mit Was
ser ausgezogen, die Lösung filtriert, bis auf etwa 25 Pfund
verdünnt und nach und nach so viel Salpetersäure zugetröp
felt, bis die Lösung Lackmuspapier rasch entfärbte, aber
noch nicht sauer reagierte. Sie enthielt dann natürlich freie
unterchlorige Säure. Der Karton in seinem Rahmen wurde
nun im Freien an einem sehr sonnigen Vormittage fast hori
zontal auf zwei Träger gelegt und mit der Lösung begossen,
um ihn ganz zu benetzen. Auf die stärker gefärbten Stellen
wurde in die Lösung getauchtes Fließpapier gelegt, das öfters
erneuert und begossen wurde. Die gebleichten Stellen wurden
wiederholt mittelst einer Gießkanne mit Wasser übergossen,
um die Chlorkalklösung möglichst zu beseitigen, nachdem sie
gewirkt. Der Carton war dabei stets stark dem Sonnenschein
ausgesetzt. Nach ungefähr zwei Stunden waren die blaugrü
nen Flecke fast gänzlich verschwunden, nur an einigen Stel
len, wo die Farbe zugleich durch das Leinen gedrungen war,
auf welches der Karton geklebt ist, schimmerten sie noch ein
rollt werden, da an den Stellen, an denen für die
Kaschie-rung
viel Kleister gebraucht wurde, leicht Schimmel
entstehen könne. Nach dem Aufrollen sollte am oberen
Rand der Kartons eine leichte Leiste angebracht werden,
an welcher der Karton aufgehängt werden konnte – wobei
Schnorr darauf hinwies, dass die Kartons wegen der
Tem-peraturunterschiede
zwischen Wand und Raum
unbe-dingt
frei gehängt werden sollten und keinesfalls mit
Stiften an der Wand befestigt werden
dürften.797Auch
Joseph Schlotthauer, Schüler und enger
Mitar-beiter
von Cornelius, der immer wieder mit dem
Versen-den
der Kartons seines Lehrers betraut wurde,
verwen-dete
große Sorgfalt auf die Verpackung, um die Kartons
zu schützen. 1844 schreibt er an
Cornelius:„Die
Cartons können, da sie mit Fracht Gelegenheit Anfang
voriger Woche abgegangen sind, in einigen Tagen angelangt
sein. Ich hoffe, sie werden gut ankommen; mit möglichster
Sorgfalt sind sie verpackt.“798
Cornelius gab ihm mitunter auch genaue Anweisungen,
wie er beim Verpacken zu verfahren habe:
„Ich habe dem Schraudolph eine letzte Zeichnung zum
Campo santo mitgegeben und bitte Dich, dieselbe auf einen
Stock zu rollen, wohl zu verpacken mit Wachstuch und sie an
den Kupferstecher Julius Thaeter […] zu schicken.“799
Das Bewusstsein für das Risiko, das den Kartons durch
die häufigen Transporte erwuchs, war – möglicherweise
auch durch schon entstandene Schäden – bereits
vor-handen.
Bethmann-Hollweg schreibt dazu aus Berlin an
Cornelius:
„Ferner wird es Sie freuen zu hören, daß Ihre hier befindli
chen Cartons [zur Glyptothek und zum Campo santo,
Anm.] nach kurzer Unterbrechung auf vielseitiges Verlangen
abermals im Akademie Gebäude öffentlich ausgestellt sind.
Ja, von Dresden ist ein Gesuch eingegangen, sie dorthin
zur Ausstellung zu senden, dessen Gewährung nur in der
Sorge, daß sie durch öftere Sendung leiden mögen, Anstand
findet.“800
Dass es bei dem regen Ausstellungsverkehr tatsächlich zu
Transportschäden kam, zeigt das Beispiel mehrerer
Kar-tons
von Friedrich Overbeck für das Tassilo-Zimmer, die
vom Sturm „zerrissen und zerfetzt“ wurden. Johann
Gott-lieb
Quandt, Kunsthistoriker und Kunstmäzen, in dessen
Haus in Rom Overbeck regelmäßig verkehrte, überwies
darauf eine Summe, um die Kartons restaurieren zu
las-sen,
und kaufte selbst einen der Kartons
an.801Der
detaillierte Bericht einer aufwendigen
Restaurie-rung
eines Kartons von Rudolf Elster802, den Alfred
Bonnardot in seinem Traktat zur Restaurierung von
Kup-ferstichen
anführt, belegt nicht nur Bemühungen zur
Bewahrung von Kartons, sondern hat auch als frühes 797 Siehe Notiz von Veit Schnorr von Carolsfeld, Schnorr Archiv 8,
Bl. 336; Brief vom 29.6. 1843 und 18. 4. 1844 an den Leipziger
Kunstverein, Stadtarchiv Leipzig, KV 130, Bl. 15 und KV 117, Bl. 7.
Vgl.: Seeliger (1999) p.
95.798
Brief von Schlotthauer an Cornelius, München, 1. Juli 1844, zit.
nach. Foerster (1874) 2. Bd., p.
251.799
Brief von Cornelius an Schlotthauer, Rom, 20. Juli 1845, zit. nach:
Foerster (1874) 2. Bd., p.
263.800
Foerster (1874) 2. Bd., p.
434.801
Rave; Gerstenberg (1934), p.
89.802
Gottfried Rudolf Elster (*?-1887), Zeichner und Historienmaler,
studierte an der Berliner Kunstakademie und schuf
hauptsäch-lich
religiöse Bilder. Das Werk Einzug Christi in Jerusalem wird im
Allgemeinen Künstler-Lexicon erwähnt, aber nicht näher
beschrieben. Vgl.: Singer (1895), 1. Bd.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306