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Dichtung 69
Drucke und Hs.
Epigramm auf
Sayt
zwei Elegien
Pratos.
De immanitate
das Pult für die Lesung der Tora. Am Sonntag beraten sie darüber, wie sie den Körper ver-
schwinden lassen könnten, und kommen überein, ihn in einem unter Samuels Haus hin-
durchfließenden Kanal zu ‚finden‘ und dem Bischof Meldung zu erstatten. Dieser kommt
samt Gefolgsleuten und sieht sich den im Wasser liegenden Simon an. Die Wunden des
Kindes werden untersucht und der Leichnam wird in die Kirche San Pietro überführt, wo
er eine rege Wundertätigkeit entfaltet. Gegenwärtig befinden alle Trientner Juden sich im
Gefängnis und sehen ihrer Strafe entgegen.
Von der lat. Simondichtung sind v.a. die Druckwerke von Bedeutung. Sie werden
im Folgenden in chronologischer Reihenfolge besprochen ; anschließend wird ein
kurzer Überblick über die hs. Tradition gegeben.
Im Anschluss an den Brief von Tiberinus figuriert ein offenbar ebenfalls von die-
sem stammendes Epigramm von vier Distichen über einen Conrad S(ch)ayt(h), der
im April 1475 einigen Juden ein Geleit Herzog Sigmunds nach Trient verschafft hat
(Treue 1996, 95) : Er sei zur Strafe für dieses Vergehen ins Herdfeuer gestürzt und
habe sich schwere Verbrennungen zugezogen. Das letzte Distichon, Terra Rovereti
miracula maxima lustrans / Hanc sedem merito dat tibi, Sancte Symon („Die Gegend
von Rovereto, die deine gewaltigen Wundertaten erblickt, gibt dir zurecht diesen
Sitz, Heiliger Simon“), scheint sich auf die Weihung einer Simonkapelle in Rove-
reto zu beziehen, obwohl ein Kult des Knaben dort sonst nicht bezeugt ist.
Am 13. 9. 1475 erschien in Tarvis ein Druck mit zwei Elegien des dort an-
sässigen Humanisten Tommaso Prato. Die erste trägt einen mit De immanitate
Judeorum in Symonem Tridentinum infantem („Über die Bestialität der Juden gegen
das Kind Simon von Trient“) beginnenden und einer Widmung an Hinderbach
fortfahrenden Titel und erzählt in 396 Versen die Geschichte vom Martyrium Si-
mons nach den Vorgaben des Tiberinus-Briefes. Sachliche Zutaten sind etwa die
Behauptungen, der Diener Lazarus habe nach seiner Weigerung Trient fluchtartig
verlassen (V.
79–80), während Simons Entführung habe sich eine Art Sonnenfins-
ternis ereignet (V.
159–160) und Simon sei auch in der Leistengegend und an den
Händen verwundet worden (V. 227–229, 253–254). Generisch handelt es sich
um eine narrative Langelegie, die in verschiedener Hinsicht Anleihen beim Epos
macht.3 Episch wirken schon das Proömium (Iudeam rabiem […] canam, „Die
Raserei der Juden […] will ich besingen“) und die sich anschließende Ekphrasis
von Trient, die an die Karthago-Ekphrasis zu Beginn der Aeneis erinnert – ein
Zug, der später in Pusculus’ Symonis wiederkehren wird. Im Inneren des Werkes
fällt eine Reihe von epischen Reden und Gleichnissen auf ; so werden etwa die Ju-
den immer wieder mit Hunden, Wölfen oder Tigern verglichen (z.B. V.
121–122).
3 Zur vielfältigen Verwendung des elegischen Metrums in der nlat. Dichtung vgl. CNLS 2, 80.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593