Seite - 82 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 82 -
Text der Seite - 82 -
82 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Prosopographie
Inhalt
Dichtung als
âGesellschaftsspielâ Paolo de Fatis Trilaco war, wie aus den Titeln der Gedichte 1â3 und 34 hervor-
geht, Doktor beider Rechte und gehörte einem Zweig des Welschtiroler Adelsge-
schlechts der de Fatis an, dessen Mitglieder auch sonst immer wieder durch lite-
rarische Leistungen hervortraten. Er könnte mit einem Paolo de Fatis identisch
sein, den Kaiser Maximilian 1511 zum PodestĂ von Modena machte (Spreti 1982,
517â519) und der im Jahr 1524 ermordet wurde (vgl. hier S. 237). Von seinen
Adressaten werden die meisten nur mit ihren Vornamen genannt oder einfach als
âFreundeâ, âjunge MĂ€nnerâ, âGeistlicheâ oder âJuristenâ bezeichnet. Ausnahmen
bilden der Mantuaner Dichter, Redner und Historiograph Giano Pirro Pincio (vgl.
hier S. 311), der in Trient Karriere machte (carm. 2 [[0b]â[0c]], 28, 29 [Bl. 12râ
13v]) und der Trientner Arzt Andrea Gallo (carm. 22 [Bl. 8v]) ; Giorgio de Fatis
(carm. 3 [Bl. 1râ2v], 63 [Bl. 35rv]) ist offenbar ein Verwandter.
Der Inhalt der Sammlung kann nur ungefÀhr anhand der wenigen halbwegs
leserlichen Gedichte und der meist etwas besser zu entziffernden Titel umrissen
werden : Als distinkte Gruppe heben sich die Epigramme carm. 48â57 (Bl. 30râ32r)
ab, die Titel wie âAuf einen perversen jungen Mannâ oder âAuf einen HochmĂŒ-
tigenâ tragen und dabei eher ernsthafte Tugendprotreptik als Skoptik enthalten.
So lautet etwa das In garulum, âGegen einen GeschwĂ€tzigenâ, betitelte carm. 48 :
Desine sermones offundere, garule, vanos, / In tanto noceat ne tibi lingua loquax. / [?]
lingue multos piguisse loquacis. / Permultis damno garula lingua fuit. (âHör auf, Ge-
schwĂ€tziger, leeres Gerede auszugieĂen, damit dir unterdessen11 deine geschwĂ€tzige
Zunge keinen Schaden zufĂŒge. Schon vielen soll es [?] wegen ihrer schwatzhaften
Zunge leid getan haben, sehr vielen hat ihre geschwĂ€tzige Zunge geschadet.â) FĂŒr
sich steht innerhalb der Sammlung carm. 15 (Bl. 7r), das sich der Frage widmet,
woher der Familienname der de Fatis stammt (Antwort : sie sind so zuverlÀssig wie
das Schicksal selbst, das fatum). Es hat aber wie schon das Eröffnungsgedicht ein
Pendant in einer âNachbarhandschriftâ : BCT, ms. 4955 enthĂ€lt eine aitiologische
Kurzelegie eines anderen Angehörigen der Familie, des Tommaso Tabarelli de Fatis
Trilaco, die erklÀrt, weshalb die de Fatis den Beinamen Tabarelli tragen : Ein Ahn-
herr der Familie habe sich einmal in einer Schlacht nicht mit einem Schild, sondern
mit einem Mantel, italienisch tabarro, verteidigt.
HauptsÀchlich handelt es sich aber wie gesagt um Adressatendichtung. Eines der
Gedichte an Giorgio de Fatis (carm. 3 [Bl. 1râ2v]) scheint diesen um Hilfe in einer
Notlage zu bitten, und auch bei zwei an einen âAllermenschenfreundlichsten Herrn,
meinen FĂŒrsten[?]â, d.h. wohl an einen der Trientner FĂŒrstbischöfe, gerichteten
StĂŒcken (carm. 66, 67 [Bl. 38vâ40v]), könnte es sich durchaus um Panegyrik mit
11 Das so ĂŒbersetzte in tanto lĂ€sst sich nur als Italianismus, d.h. eben im Sinne des italienischen in-
tanto, âunterdessenâ, verstehen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593