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98 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Quellen
Obödienzrede an
Sixtus IV. Änderung der Wortgestalt, den tropus, eine Änderung der Wortbedeutung, und das
schema, eine Änderung der Bedeutungsweise (modus significandi) (67). Diese Ein-
teilung wird dann jedoch vorläufig nicht beachtet ; stattdessen werden erst einmal
die zwei grundlegenden vicia des barbarismus und des soloecismus, d.h. des Versto-
ßes gegen die grammatische Sprachrichtigkeit auf der Ebene des Einzelwortes bzw.
in der Wortverbindung, samt ihren zahlreichen Unterarten (67–74 ; 74–83) und
danach zehn weitere vicia (83–94) behandelt. Diese insgesamt zwölf vicia werden
abschließend als „unentschuldbare“2 zusammengefasst (94). Erst die als entschuld-
bar klassifizierten, d.h. die eigentlichen Figuren, sollten offenbar nach der eingangs
dargelegten Dreiteilung behandelt werden, doch schon bei den Erläuterungen zum
metaplasmus bricht der Text ab ; der Rest des metaplasmus sowie die ganze Behand-
lung von schemata und tropi sind verloren gegangen.
Der Traktat fußt wohl im Wesentlichen auf zwei Quellen, die auch öfters ge-
nannt werden : Grundlegend ist das dritte Buch von Donats Ars maior, im Mittelal-
ter neben der Rhetorik an Herennius der wichtigste antike Text über Figuren (Knape
1996, 306) ; der Verfasser folgt dieser Darstellung, obwohl er sie stark erweitert,
strukturell bis ins Detail und übernimmt auch die meisten ihrer Beispiele. Auf
Werke – allerdings nicht auf De compositione – oder Unterricht Barzizzas könn-
ten die nichtdonatischen Elemente in der Einleitung und auf S. 94 zurückgehen :
die Definition von figura,3 die Behauptung, metaplasmus, tropus und schema seien
die drei Grundfiguren, die schwer verständliche Erklärung von schema4 sowie die
Unterscheidung zwischen entschuldbaren und unentschuldbaren vicia ; für den
zweiten dieser Punkte wird Barzizza explizit als Gewährsmann genannt (67). Die
Übernahme dieser Elemente erklärt sich letztlich aus dem (aus heutiger Sicht von
vornherein zum Scheitern verurteilten) Bestreben, Donats drittes Buch in etwas zu
verwandeln, das es nicht ist und nicht sein wollte, nämlich in eine durchsystemati-
sierte Figurenlehre.5
In Innsbruck fallen die Anfänge lat. Beredsamkeit in die Zeit Erzherzog Sig-
munds (vgl. Abb. 13, 14). Allerdings hat sich nur ein einziges Beispiel für eine in
2 Gemeint ist : in der Prosa normalerweise unentschuldbar. Die zahlreichen klassischen Beispiele für
diese vicia, die angeführt werden, stammen aus der Dichtung, in erster Linie aus Vergil.
3 Sie lässt sich in der Antike so nicht belegen, doch finden sich Vorformen : Quint. inst. 1,5,5, 9,1,11.
4 In der klassischen Tradition ist das schema eine kunstvolle Veränderung auf der Ebene der Wort-
verbindung und somit das positive Gegenstück zum soloecismus (wie der metaplasmus zum barba-
rismus). Gleichzeitig steht es als Mehrwortfigur in Opposition zum tropus, der ‚Einwortfigur‘, und
gilt im Gegensatz zu diesem überhaupt erst als Figur im eigentlichen Sinne. Vgl. Lausberg 1960,
§§ 471, 498, 601 ; Knape 1996, 311–312.
5 Eine befriedigende Taxonomie aller Figuren aufzustellen ist wahrscheinlich überhaupt unmöglich ;
vgl. Knape 1996, 310–320, v.a. 318.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593