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118 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Sprache und Stil
Rezeption
Tiberinus,
Hystoria completa logisch gegliedert und im Hauptteil in einem Zuge niedergeschrieben. Nur wenige
Ergänzungen wurden später hinzugefügt. Spies betont die Ernsthaftigkeit seiner
Bemühungen um die Wahrheit seiner Aufzeichnungen und enthält sich in seinen
Schilderungen weitestgehend jeder Parteinahme – auch in der heiklen Frage des
Streites zwischen dem Konzil von Basel und Papst Eugen IV. Seine Aufzeichnungen
sind nicht fĂĽr ein breites Publikum, sondern in erster Linie fĂĽr ihn selbst und fĂĽr
den Gebrauch im Kloster bestimmt (vgl. Johanek 1987, v.a. 315–316).
Das einfache Lat. der Aufzeichnung entspricht dem Bildungsstand eines spät-
mittelalterlichen Geistlichen, der diese Sprache durchaus beherrscht, aber nicht
ĂĽber eine besondere humanistische Ausbildung verfĂĽgt.
Die historischen Notizen des Johannes Spies wurden im 16. Jh. vom bayerischen
Chronisten Veit Arnpeck in seinem Chronicon Austriacum („Österreichische Chro-
nik“) teilweise ausgeschrieben. Ob dies auf direktem Weg oder über ein verlorenes
Zwischenglied geschah, ist derzeit noch ungeklärt.
Von Johannes Matthias Tiberinus und seiner Rolle im Trientner Judenprozess
war an anderer Stelle bereits die Rede (vgl. hier S. 68–70). Im Bereich der histori-
ographischen Literatur ist er zusätzlich wegen seiner Schrift Hystoria completa […]
de passione et obitu beati pueri Simonis innocentis martiris Tridentini („Umfassende
historische Darstellung […] des Leidens und des Todes des seligen Knaben Simon,
des unschuldigen Trientner Märtyrers“ ; Trient 1476) zu nennen (Treue 1996, 291 ;
Saracino 2000).
Das Bischof Johannes Hinderbach gewidmete Werk zerfällt in drei Teile : Im ersten Teil
(Bl. 1r–6r) erzählt Tiberinus die Ereignisse rund um das angebliche Martyrium des Simon
detailliert nach (vgl. zur Darstellung des gesamten Herganges hier S. 67–69). Er beginnt
mit einer Beschreibung der Trientner Juden, die in einer durch Dialoge anschaulich ge-
stalteten Passage den schrecklichen Plan fassen, ein Christenkind gefangen zu nehmen
und zu töten (Bl. 1r–2r). Der kleine Simon wird entführt und in das Haus des Samuel ge-
bracht, wo er bis zu seinem Tod grausame Folterqualen erleiden muss (Bl. 2v–3v). Nach der
Schändung der Leiche und ihrer Entsorgung wird sie schließlich von den Beamten Bischof
Hinderbachs entdeckt und in die Kirche überführt (Bl. 3v–5r). Zum Schluss erscheint Hin-
derbach als Rächer, der die Juden ihrer gerechten Strafe zuführt (Bl. 5r–6r). Der zweite
Teil des Werkes (Bl. 6r–10v) ist eine Sammlung von 28 Wundern, die sich nach Anrufung
des Märtyrers Simon ereignet haben. Eine der Wundererzählungen (Bl. 8r) ist mit starken
dialogischen Elementen durchsetzt, zwei sind im elegischen Distichon erzählt (Bl. 10rv)
– eines davon bezieht sich auf Tiberinus’ Sohn Germanicus, der an einer heißen Kastanie
erstickt wäre, hätte ihm die Fürsprache Simons im Himmel nicht das Leben gerettet. Der
abschließende dritte Teil trägt den Titel lamentationes („Klagen“ ; Bl. 10v–11v) und bejam-
mert in 31 elegischen Distichen das grausame Schicksal des Knaben.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593