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124 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Autobiographie:
Ulrich Putsch großes Schiff betraut wurde und mitten auf dem Meer in einen Sturm geraten sei.
Der topische Charakter dieser Aussagen (Gestus der Bescheidenheit ; Schifffahrt als
Bild für die Literatur) ist jedoch evident, und es lassen sich deshalb keine brauch-
baren Rückschlüsse auf die Person des Verfassers ziehen. Auch die von Tovazzi, Nr.
799 ausgesprochene Vermutung, dass es sich offensichtlich um einen bereits alten
Mann gehandelt habe,2 ist mehr als unsicher.
Nach einem Überblick über die fromme Jugend des Romedius schildert die gefällige Er-
zählung, wie der Heilige zusammen mit seinen Gefolgsleuten David und Abraham nach
Trient aufbricht. Dort treffen die Reisenden auf Bischof Vigilius. Von diesem erbittet Ro-
medius den Segen für eine bevorstehende Pilgerfahrt nach Rom. Nach seiner Rückkehr aus
der Ewigen Stadt ziehen sich Romedius und seine Glaubensbrüder in das Nonstal zurück
und begründen eine Einsiedelei. Gemäß dem ‚Strickmuster‘ hagiographischer Texte wer-
den nun die mit dem Heiligen in Zusammenhang gebrachten Zeichen und Wunder ins
Blickfeld genommen. So verlegt Romedius kurzfristig den Bau des zu seiner Eremitage
gehörenden Kirchleins, weil Raben in der Nacht diverse Baumaterialen an einen ande-
ren Ort schaffen. Besondere Aufmerksamkeit gilt natürlich der ikonographisch relevan-
ten Geschichte vom Bären, der das Pferd des Romedius reißt und den Heiligen als Strafe
hierfür nach Trient tragen muss. Auf dieser letzten Reise seines Lebens treibt Romedius
noch einen Dämon aus (vgl. Abb. 20) und nimmt eine Krankenheilung vor. Vor seiner
Rückkehr ins Nonstal kündigt Romedius dem Hl. Vigilius an, dass die Glocke im Gottes-
haus zu Trient als Zeichen seines Ablebens von alleine läuten würde. Dies geschieht dann
auch. Romedius wird feierlich beigesetzt. Die Vita schließt mit einer Passage, die wörtlich
aus dem Anhang des Catalogus episcoporum Brixinensium entnommen ist : In ihr wird der
wundersame und glückliche Ausgang eines Unfalles geschildert, der sich nach dem Tod des
Heiligen beim Ausbau seiner Kirche ereignet hat.
Das Gebiet der Autobiographie betreten wir mit dem Diarium von Ulrich II. Putsch.
Aus Donauwörth in Schwaben stammend (seine Geburt fiel wohl in die 50er-Jahre
des 14. Jhs.), absolvierte er wahrscheinlich in Italien das Studium beider Rechte
und startete im ersten Jahrzehnt des 15. Jhs. eine eindrucksvolle Karriere in Tirol.3
Zunächst in Tisens tätig, übernahm er ab 1412 die wichtige Pfarrei auf Schloss Ti-
rol (Mutterpfarrei von Meran) und besetzte verschiedene kirchliche Würdenämter.
2 Tovazzi schließt dies wahrscheinlich aus seiner Bemerkung, dass eine Zeit der Inaktivität seine frü-
heren literarischen Fähigkeiten einrosten habe lassen – […] quia otium quasi quaedam ingenii rubigo
parvulam licet facultatem pristini sicasset eloquii (Resch, Annales Ecclesiae Sabionensis, Bd. 1, 244).
3 Zur Biographie Sinner 1828 ; Schaller 1892, 225–284 und 568–572 ; Nägele 1938 ; Gelmi 1984,
93–97 ; Obermair 1999, 224–225.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593