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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Beredsamkeit 291 Emotionalität und Sprunghaftigkeit Trilaco aus Trient, Student beider Rechte usw., zur Bestattung seiner besten Mut- ter Magdalena“ ; BCT, ms. 1037 [M. 3487]), die, wie die ausführliche subscriptio angibt, am 21. 10. 1522 bei den Beisetzungsfeierlichkeiten im Dom von Trient vorgetragen wurde. Es ist wohl kein Zufall, dass die Verstorbene und der Redner derselben Intellektuellenfamilie angehören wie der bereits erwähnte Giorgio de Fatis (vgl. hier S.  82 und 104) : Offenbar existierte hier schon zu einem frühen Zeitpunkt eine Familientradition solcher Leichenreden. Der Mehrzahl der Hö- rer indes dürfte dergleichen noch wenig vertraut gewesen sein : Der Redner geht gleich zu Beginn auf das Staunen ein, das sein Auftritt im Publikum auszulösen scheint (Bl. A1rv), und führt zu seiner Rechtfertigung römische laudationes funebres für Frauen, aber auch andere Klagetexte für weibliche und männliche Angehörige (Antimachos’ Lyde, Ciceros Selbsttröstung beim Tod seiner Tochter usw.) als Prä- zedenzfälle an (Bl. A2v–3v). Vergleicht man den Text mit den bisher behandelten orationes funebres, so fällt v.a. seine ungewöhnliche Emotionalität auf : Der Redner betont nicht nur traditio- nellerweise zu Beginn, sondern auch während der ganzen Rede immer wieder seine eigene Trauer und Ergriffenheit (manchmal, z.B. Bl. B2r, in Form von Selbstan- reden). Dementsprechend erhalten die drei traditionellen thematischen Elemente Lob, Klage und Trost nicht jeweils einen eigenen Redeteil zugewiesen ; vielmehr wechselt die Rede dauernd zwischen ihnen hin und her, wobei erst gegen Ende der Trost zu überwiegen beginnt. An die Stelle einer übergreifenden Gliederung, die allenfalls in Ansätzen vorhanden ist, treten assoziative Gedankensprünge und Stim- mungsumschwünge, welche große emotionale Intensität und Dynamik suggerie- ren : Es ist, als würde der Redner immer wieder von seiner Trauer überwältigt und ringe mühsam um Fassung. Mit diesem Zusammenspiel von Emotionalität und Strukturlosigkeit nähert sich die Rede – unklar, ob absichtlich oder zufällig – der antiken Gattung der Monodie, wie sie der kaiserzeitliche Rhetoriklehrer Menander beschreibt (Men. Rh. 2,434–437).11 Gesteigert wird die emotionale Wirkung noch dadurch, dass de Fatis seine Trostworte öfters an seinen frisch verwitweten Vater richtet. Durch diese Individualisierung der Hörerschaft wirkt die Rede noch direk- ter und unmittelbarer, und der Redner, der seinen eigenen Schmerz zu überwinden weichend Oratio parentalis elegantis comitis et consilliarii Caesarei Thomae de Fatis Trilaco Tabarelli in morte dulcissimae eius genetricis de anno 1522 12 9[d.h. novem]bris (Missverständnis des in der subscriptio gegebenen Datums XII cal. Novembres, d.h. 21. 10.). Dass der Autor, wohl zu einem spä- teren Zeitpunkt, Graf und kaiserlicher Rat (comitis et consilliarii Caesarei) wurde, legt es nahe, dass er mit dem Militär und kaiserlichen Rat Tommaso de Fatis (Spreti 1982, 618) identisch ist. Auch Identität mit dem Autor von BCT, ms. 4955 (vgl. hier S.  82) ist möglich. 11 Zur Verbindung zwischen wirrem Aufbau der Rede und Emotionalität des Sprechers allgemein vgl. auch Quint. inst. 4,2,104–105.
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
TYROLIS LATINA
Untertitel
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Band
1
Autoren
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Herausgeber
Karlheinz Töchterle
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
602
Schlagwörter
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Šubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Šubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
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