Seite - 422 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 422 -
Text der Seite - 422 -
422 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Martin,
Ehren
gedicht für
Sigmund Franz
Biographie
Entstehungs-
umstände
Inhalt, Form merkt, dass tatsächlich bereits laute Festlichkeiten zur Geburt Ferdinand Karls im
Gang sind. Mit einer Anrede an Vater und Sohn schließt das Genethliacon. Bemer-
kenswerter als das Gedicht selbst ist indes seine äußere Gestalt : Der Innsbrucker
Drucker Daniel Agricola hat das einzige erhaltene Exemplar (TLMF, Dip. 1370/5)
auf ein großes Stück Seide gedruckt. Möglicherweise wurden es und allfällige wei-
tere Exemplare dem Landesfürsten und anderen hochrangigen Persönlichkeiten bei
den Tauffeierlichkeiten als Geschenk überreicht.
Last not least ist unter der Panegyrik für Tiroler Habsburger ein 1659 in Inns-
bruck gedrucktes Ehrengedicht zu nennen, das Johann Martin, bekannter unter
seinem späteren Ordensnamen Laurentius von Schnüffis,15 1659 anlässlich der
Rückkehr von Erzherzog Sigmund Franz aus Wien verfasste, wo Leopold I. diesem
vergeblich die Statthalterschaft der Niederlande angetragen hatte. Es ist eines der
ganz wenigen als Lieder konzipierten Gedichte, zu denen sich auch die Noten er-
halten haben.
Martin wurde 1633 in Schnifis (Vorarlberg) geboren, besuchte wahrscheinlich
die Lateinschule in Hohenems und schrieb sich danach an der Universität Salzburg
ein. Dort dürfte er sich 1656 der Wanderbühne des Joris Joliphous angeschlossen
haben, mit der er in der Folge Österreich bereiste. Nach einem Gastspiel in Inns-
bruck trennten sich die deutschen Mitglieder dieser Truppe von ihren englischen
Kollegen und gründeten eine eigene Bühne, mit der sie zwei Jahre lang Gastspiele
im deutschen Sprachraum gaben, ehe sie 1659 wieder in Innsbruck von Erzherzog
Ferdinand Karl ein Dauerengagement als Hofschauspieler erhielten. Martin bezog
jedoch trotz der Sonderstellung, die er als Dichter genossen zu haben scheint, nur
ein dürftiges Gehalt. Diese und andere Misslichkeiten bewogen ihn 1662, Inns-
bruck zu verlassen, um in das Kapuzinerkloster Zug einzutreten. Im Jahr 1668
übersiedelte er dann nach Konstanz, wo er 1702 verstarb.
Das Ehrengedicht, das einzige erhaltene Werk aus Martins weltlicher Zeit, gilt
gemeinhin als Auftragswerk für den Innsbrucker Hof. Das Vertrauen, das sich in
diesem Auftrag ausspreche, wird gerne als Hinweis auf das hohe Ansehen gewertet,
das Martin genossen habe (Thurnher 1960, XVII–XVIII ; Gstach 2003, 266). Dem
widerspricht allerdings dessen schon angedeutete Frustration über seine schlechte
Behandlung in Innsbruck. Wahrscheinlicher ist es deshalb, dass er von sich aus
tätig wurde, um die Gunst des Erzherzogs zu erwerben oder den Hofstaat auf seine
Fähigkeiten aufmerksam zu machen (Senn 1954, 279).
Inhaltlich ist das Ehrengedicht eine Allegorie, die Tirol als glückliche Sommer-
landschaft mit Vögeln, Bächlein, Blumen und fleißigen Arbeitsbienen (dem Volk)
darstellt, über der nun die Sonne in Gestalt des Erzherzogs aufgeht, um nie mehr un-
15 Vgl. zu Person und Werk Thurnher 1949 und 1960 sowie Gstach 1983 und 2003.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593