Seite - 442 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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442 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Form und Inhalt als erwiesen, dass seine Legende die
Erfindung eines einzelnen fanatischen
Kämpfers für die Gegenreformation in
Tirol war, nämlich des Haller Stadt-
arztes und Schriftstellers Hippolytus
Guarinonius (vgl. Schroubek 1985 und
1986 ; hier S. 564–576). In den Jah-
ren 1620–1623 schrieb dieser die erste
Version seiner Histori der Marter deß
Haillig-Vnschuldigen Khindtß Andreae
von Rinn nieder. Nach fast 30 Jahren
überarbeitete er 1651 diesen Entwurf
und schuf so die heute hs. überlieferte
Fassung.3 Eine breitere Öffentlichkeit
konnte von diesen Aufzeichnungen des
Guarinonius allerdings nichts wissen.
Die Propaganda wurde, zumindest bis
zum Erscheinen seines Anderl-Liedes
im Jahr 1642 (vgl. Abb. 63, 64) über
andere Medien geführt, und hier liegt
die Bedeutung unserer Theaterauffüh-
rung. Das Anderl-Drama der Haller Jesuiten 1621 ist das erste rezeptions- und
wirkungsgeschichtliche Zeugnis der Legende.
Der Spieltext des Dramas ist leider verloren. Erhalten hat sich aber die dazuge-
hörige Perioche,4 welche die Grundlinien der Dramaturgie und die Tendenz des
Stückes zu erkennen gibt. Obwohl die Perioche in diesem Fall rein deutsch ist, muss
man für die Aufführung einen lat. Text annehmen. Eine volkssprachliche Auffüh-
rung hätte jedenfalls den Gepflogenheiten widersprochen.
1. Akt : Maria, die Mutter des Knaben Andreas, beklagt ihren Witwenstand und ihre Ar-
mut. Auf Rat des Schutzengels von Andreas gibt sie diesen in die Obhut seines wohlhaben-
den Taufpaten Radulphus, bei dem sie auch selbst wohnen darf. Eine Gruppe von Juden
zieht auf der Reise zum Bozner Markt durch Rinn. Sie sehen das kleine Anderl vor der Tür
3 Im Folgenden als Histori zitiert ; Hs. Wilten, Lade 38 A 1–3. Das Manuskript wurde bislang noch
nie publiziert.
4 Summarischer Innhalt der Action. / Von dem H. dreyjärigen Kindlein Andrea / welches zu Rinn nit weit
von Hall im Ynthal gelegen / von den Juden gantz listig entführt / und Anno Christi 1462 im Monat
Julio grausam gemartert worden (abgedruckt bei Tilg 2004).
Abb. 63: Titelblatt des von Hippolytus Guarino-
nius verfassten Anderl-Liedes, Innsbruck 1642.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593