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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Seite - 444 -
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444 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Zweck in furchtbares Klagen aus. Radulphus wird von einem Engel der göttlichen Gerechtigkeit mit Wahnsinn geschlagen. Nach Anderls Begräbnis erzählen Engel von seiner künftigen Wundertätigkeit. Alles deutet darauf hin, dass das Stück in enger Kooperation mit Guarinonius ent- standen ist. Wie aus seinen eigenen Aussagen hervorgeht, wurde er bei seinen ‚Re- cherchen‘ zur Geschichte des Anderl u.a. vom Rektor des Haller Jesuitenkollegs unterstützt und besprach sich laufend mit Mitgliedern des Ordens. Auch die Pe- rioche selbst scheint einen Hinweis auf Guarinonius zu geben. Im letzten Satz des argumentum, der Erzählung des Stoffes, heißt es nämlich unvermittelt : „Wie dessen weiteren Bericht der günstige Leser künfftiger Zeit zuerwarten hat.“ Hier wird wohl auf Guarinonius’ geplante Veröffentlichung seiner Histori angespielt. Die Formulie- rung ist überdies bemerkenswert, weil sie ganz gegen die sonstige Gewohnheit das Publikum nicht auf das folgende (mündliche) Schauspiel, sondern auf ein schrift- liches Werk hinweist. Das Schauspiel selbst zeigt aber typische Merkmale jesuiti- scher Dramatik, z.B. im Einsatz von allegorischen Figuren, die in das Geschehen eingreifen oder es auf einer höheren Ebene spiegeln : Neben Engeln und Heiligen tritt v.a. die Crudelitas, Iudaeicae immanitatis auctor („Grausamkeit, Urheberin der jüdischen Bestialität“) in Erscheinung. Mit dem Jesuitendrama hatte Guarinonius das ideale Propagandainstrument zur Verbreitung seiner Legende gefunden.5 Den Jesuiten war ihrerseits auch ein drastisches Mittel zur Hebung der Volksfrömmigkeit und Heiligenverehrung recht. Ein neuer Märtyrer aus der Region als patriotische Identifikationsfigur kam ihren gegenreformatorisch-missionarischen Absichten entgegen. Bei der Umset- zung des Stoffes konnten sie überdies bereits auf eine Tradition von Simon-von- Trient-Spielen zurückblicken. Der Trientner Ritualmord wurde erstmals 1605 in Augsburg, entweder von Jeremias Drexel oder von Kaspar Rhey, auf die Bühne der Jesuiten gebracht. Weitere Dramatisierungen gab es in Innsbruck 1610 und Fribourg 1619.6 5 In der Forschungsgeschichte wurde das Jesuitentheater wiederholt mit modernen Massenmedien verglichen, so z.B. von Szarota 1975. 6 Vgl. Valentin, Nr. 539, 643, 819, zu Drexel und Rhey 1043–1044 und 1103. – Jüdische Ritualmorde blieben auch nach der Haller Anderl-Aufführung von 1621 ein Thema des Jesuitentheaters. In Ingolstadt spielte man 1630 einen Wernerus martyr (über den angeblich 1287 von Juden ermordeten 14-jährigen Werner von Oberwesel), in München 1654 einen Iuvenis musicus a Iudaeis occisus et redivivus („Ein junger Musiker, der von den Juden ermordet wurde und wieder ins Leben kam“). In der Schlussphase des Jesuitendramas begegnet in Feldkirch 1753 nochmals ein Simonsdrama mit dem Titel Divi Simonis fortior morte pro fide constantia („Die Standhaftigkeit des Hl. Simon für den Glauben, die stärker als der Tod ist“ ; vgl. Valentin, Nr. 1060, 1720, 6402).
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
TYROLIS LATINA
Untertitel
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Band
1
Autoren
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Herausgeber
Karlheinz Töchterle
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
602
Schlagwörter
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Šubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Šubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
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