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Beredsamkeit 479
die ein kürzeres Gegenstück zu seinem Hundepreis darstellen, gewähren zudem
Einblicke in den zeitgenössischen Aberglauben ([82]) :
Dominis (ut vera fama fert) insidiantur quotidie, et nisi a canibus defenderentur, saepissime fe-
lium insidiis interimerentur. Mutantur nonnumquam in sagas, scintillant noctu oculi et cauda
quasi flammas evomit.
Sie lauern, wie der Volksmund zu Recht behauptet, täglich ihren Herren auf, und wenn
diese nicht von den Hunden verteidigt würden, kämen sie sehr häufig durch die Anschläge
der Katzen ums Leben. Sie verwandeln sich mitunter in Hexen, nachts funkeln ihre Augen
und der Schwanz speit sozusagen Flammen.11
Auffällig ist in beiden Redewettkämpfen, wie rüde mit dem Gegner umgesprungen
wird. Wiederholt wird ihm nicht nur die rhetorische Kompetenz abgesprochen, er
wird auch als Mensch der Lächerlichkeit preisgegeben. Die folgende Passage vom
Beginn der Hunderede ist typisch für den Stil der Polemik ([79]; vgl. auch [82],
[88]–[89]) :
O stupidum, o insulsum, o monstrum ignorantiae, o rudem plane rabulam, ut glocitando, cro-
citando mugiendoque catos absque ullo fructu defendit ! Imo visum huic idem quod nonnullis
stupidis contigit dubitantibus num nocti praeferenda sit dies.
O der Narr, der Geschmacklose, das Ungeheuer an Unwissenheit, der völlig ungebildete
Schwätzer, wie er gackernd, krächzend und muhend die Katzen verteidigt hat, ohne damit
auch nur das Geringste zu erreichen ! Vielmehr war er derselben Meinung wie einige Nar-
ren, die zweifelten, ob der Nacht der Tag vorzuziehen sei !.
Wird hier bewusst der Ton mancher im Unterricht durchgenommener Cicerore-
den imitiert, oder haben wir es mit Auswüchsen des agonalen Prinzips zu tun, das
sich die Jesuiten so gerne zu pädagogisch-didaktischen Zwecken zunutze machten
(Duhr 1896, 58–64) ?
11 Vgl. auch [81] über Katzen als Begleiterinnen von Hexen ; Güntert 1932, 1117–1118. Die sonst an-
scheinend nicht belegte Vorstellung vom Flammen speienden Schwanz dürfte darauf zurückgehen,
dass Katzenfell sich leicht elektrostatisch auflädt und dann im Dunkeln Funken sprühen kann. Zur
Stellung der Jesuiten zum Hexenglauben s. Duhr 1907–1913, Bd. 1, 731–754 und 2,2, 481–533.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593