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Rechtswissenschaft 585
nensi et Tridentino, aliisque regularium praelatis („Fälle, die dem Papst, den Bischö-
fen, speziell denen von Brixen und Trient, und den Prälaten vorbehalten sind“).
Die Schrift wurde 1649 in der Hauslehranstalt des Klosters Wilten von Augustin
Holzer und Ambrosius Schrott verteidigt und mit einer Widmung an den Brixner
Bischof Anton von Crosini in Innsbruck gedruckt. Bliemel, den wir bereits als Ge-
schichtsschreiber und Philosophen kennengelernt haben (vgl. hier S. 496–497 und
552–554), wurde in Brixen geboren und studierte Theologie und Kirchenrecht in
Wilten, Salzburg und Dillingen. 1644 wurde er Professor in Wilten und lehrte hier
bis zu seinem Tod 1658 (Tovazzi, Nr. 830). Mit dem Thema Beichte hatte er sich
schon als Respondent in Dillingen befasst, als er dort 1643 Heinrich Wagnerecks
Iurisdictio confessarii („Rechtssprechung des Beichtvaters“) defendierte.
Die gut gegliederte Darstellung beginnt mit einem Kapitel ĂĽber die Gerichtsbarkeit fĂĽr die
Beichte i.A. (1–16) und die casus reservati im Besonderen (16–43). Da es sich hierbei, wie
erwähnt, um schwere Sünden handelte, konnte die Absolution nur in Todesgefahr oder
von kirchlichen Würdenträgern wie Bischöfen und Äbten, die auch Hoheitsgewalt (iuris-
dictio) hatten, gewährt werden (16–29). Bereits für die Abnahme der Beichte war, außer in
Todesgefahr, die bischöfliche Approbation (approbatio pro cura) zwingend vorgesehen ; es
existierten allerdings Sonderregeln fĂĽr einzelne Orden, und die Befugnisse konnten mit-
unter delegiert werden (29–36). Die abgeleistete Buße wurde zwar bei weltlichen Gerich-
ten nicht berücksichtigt, bei kirchlichen jedoch sehr wohl (36–43).1 Im Anschluss hieran
geht Bliemel als Erstes näher auf die Untergruppe der casus papales ein, Delikte, die als so
schwer gewertet wurden, dass einen nur der Papst davon freisprechen konnte (44–64).
Diese werden anhand der Rechtsgrundlagen, nämlich der gegen alle Arten von Ketzerei
gerichteten Bannbulle In coena Domini, des ius commune und der Dekretalensammlung
des sogenannten Liber extra, einzeln erörtert. Vermutlich aus praktischen Gründen wird
neben den 20 genannten Delikten selbst (u.a. Häresie, Piraterie, Verstoß gegen die kirch-
liche Gerichtsbarkeit ; 44–55) auch die Delegation der Gerichtsbarkeit an die Bischöfe
besprochen. Diese war zulässig, wenn das Delikt versteckt, d.h. weder allgemein bekannt
noch aktenkundig, und der Papst nicht erreichbar war (55–64). Noch ausführlicher als
die casus papales behandelt Bliemel danach die zwölf Delikte, die der Gerichtsbarkeit der
Bischöfe vorbehalten waren (64–116), und die casus praelatis reservati (116–151 ; „Äbten
vorbehaltene Fälle“).
1 Der Kirche kam seit dem Mittelalter das privilegium fori („Privileg des Gerichtsstandes“) zu, d.h. sie
hatte eigene Gerichte für die Geistlichen. Zusätzlich beanspruchte sie auch die Gerichtsbarkeit über
causae spirituales („geistliche Angelegenheiten“) wie z.B. Ehestreitigkeiten, Wucher und Glaubens-
delikte (Baltl/Kocher 1997, 99–100, 106–107).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593