Page - 18 - in Die Big-Data-Debatte - Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
Image of the Page - 18 -
Text of the Page - 18 -
18 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
1984â heiĂt es: âDer glĂ€serne Mensch ist da, seine Daten sind gespeichert. Der
technisch perfekte Ăberwachungsapparat harrt seines politischen Missbrauchers:
1983 ist â1984â. Die Gefahren des âgroĂen Brudersâ sind nicht mehr bloĂ Lite-
ratur. Sie sind nach dem heutigen Stand der Technik realâ (Der Spiegel 1/1983).
Auch der Schriftsteller GĂŒnter Grass, der sich ja immer auch als politischer
Mahner verstand, bemĂŒhte dieses Narrativ Anfang der achtziger Jahre in Wahl-
kampfreden fĂŒr die SPD, die er mit dem Titel âOrwells Jahrzehntâ versah. Darin
interpretierte er, genauso wie die Gegner der VolkszÀhlung, Orwells Fiktion nicht,
wie von diesem intendiert, als Kritik an (damals) bestehenden VerhÀltnissen und als
Warnung, sondern als Prophetie, die sich schon teilweise bewahrheitet hatte und
deren Realisierung im Jahr 1984 unmittelbar bevorstand (Neuroth 2014, S. 75).
Die Opposition gegen die staatliche Sicherheitspolitik und die VolkszÀhlung
war zugleich auch Reaktion auf eine Fortschrittsdebatte. GroĂe Teile der
Bevölkerung zeigten sich verunsichert oder sogar verÀngstigt durch die damals
neuen Technologien wie Computer, Datenbanken und Gentechnik. Erst kurz
zuvor hatte IBM den ersten PC auf den Markt gebracht, das Time-Magazin
wĂ€hlte erstmals nicht eine âPerson des Jahresâ, sondern eine âMaschine des Jah-
resâ: den Personal Computer. Die neuen Techniken machten Angst, Szenarien von
Massenarbeitslosigkeit durch Computer und zunehmender Entfremdung durch
eine âseelenlose Technologieâ kursierten.
Die Protestbewegung war erfolgreich, das Bundesverfassungsgericht stoppte
die VolkszÀhlung und hob Ende 1983 das zugrunde liegende Gesetz auf, da es
in einigen Punkten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sah.
Auf Grundlage des BVerfG-Urteils erarbeitete der Bundestag ein neues Gesetz
und die VolkszĂ€hlung fand schlieĂlich 1987 statt.
1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward
Snowden
Im Sommer 2013 enthĂŒllte der CIA-Mitarbeiter Edward Snowden das ganze Aus-
maĂ der Ăberwachungs- und Spionagepraxis der amerikanischen Geheimdienste
und löste damit den NSA-Skandal aus. Die AffÀre rief erstmals einer breiten
Ăffentlichkeit ins Bewusstsein, welche Möglichkeiten Big-Data-Technologien bei
der Erfassung und Verarbeitung elektronischer Daten bei der Telefon- und Inter-
netĂŒberwachung bieten. Als zudem bekannt wurde, dass die NSA sogar die deut-
sche Bundeskanzlerin ins Visier genommen und ihr Handy jahrelang abgehört
hatte, schlugen die Wellen besonders hoch. Politik und Medien mussten zur
Kenntnis nehmen, dass die NSA bei Auslandsspionage nicht an amerikanische
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207