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heraus argumentiert wird. Es stellt sich die Frage, ob Recht bzw. Rechtsetzung im
Kontext einer sich dynamisch entwickelnden Technologie damit nicht grundsÀtz-
lich ĂŒberfordert ist. Angesichts vergleichsweise einfacher Möglichkeiten des Pro-
filings bzw. der De-Anonymisierung muss vielmehr davon ausgegangen werden,
dass sĂ€mtliche Daten als personenbezogen gelten mĂŒssen (siehe auch Sachver-
stĂ€ndigenrat fĂŒr Verbraucherfragen 2018, S. 68 f).
Ăber die geschilderten rechtstechnischen Herausforderungen einer Gesetz-
gebung hinaus, die in eine sich rasant verÀndernde Technologie einzugreifen
versucht, erschweren in diesem Fall auch noch basale normative Konzepte des
politischen und ökonomischen Handelns bzw. tradierte Menschenbilder die Suche
nach einer wirkungsvollen Regulierung. Wie im Folgenden gezeigt wird, sind
althergebrachte Narrative, wie die vom informierten Verbraucher und rationalen
Konsumenten nicht gerade hilfreich, um die genannten Paradoxien aufzulösen
oder wenigstens sicher durch sie durch zu navigieren. Trotzdem bilden diese tra-
dierten Idealtypen nach wie den Ausgangspunkt fĂŒr die Suche nach einem sinn-
vollen Umgang mit Big Data.
1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen
Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs
Begleitet wird die öffentliche Auseinandersetzung um die Frage, ob und wie der
Schutz der persönlichen Daten durch Regulierungen des Gesetzgebers zu realisie-
ren ist, von der fortgesetzten ErzĂ€hlung traditioneller Geschichten ĂŒber den Nutzer
bzw. den BĂŒrger, der als Akteur bzw. Aktant dieser ErzĂ€hlungen auftritt. WĂ€h-
rend der öffentliche Diskurs von ErzÀhlungen rund um Risiken und dystopischen
Erwartungen dominiert wird, ist der politische Diskurs nach wie vor von tradierten
Vorstellungen bzw. Leitbildern vom kritischen Verbraucher, informierten Kunden
und rationalen Homo oeconomicus geprÀgt. Alle diese Idealtypen sind als Kom-
plementĂ€re der demokratischen Leitidee des mĂŒndigen BĂŒrgers zu sehen, der â so
die ErzĂ€hlung â eigenverantwortlich, selbstbestimmt und unabhĂ€ngig entscheidet,
und zwar nicht zuletzt ĂŒber seine (personenbezogenen) Daten.
Doch diese Idealtypen der AufklÀrung, insbesondere die Vorstellung von
rationalem, nutzenmaximierendem Verhalten, mit denen weite Teile von Wirt-
schaft und Gesellschaft erklÀrt werden und die in so starkem Kontrast zu den
furchterregenden Narrativen zu Big Data stehen, haben Risse, und das schon seit
Jahrzehnten. So ist vielfach untersucht, dass Risiken mit geringer Wahrschein-
lichkeit und hohem Schadenpotenzial deutlich stÀrker wahrgenommen werden
als Risiken mit hoher Wahrscheinlichkeit und geringerem Schadenpotenzial
1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverĂ€nen Nutzers âŠ
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207