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36 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
(vgl. auch MĂŒller-Peters und Gatzert 2016). Mit Big Data werden diese Risse
jedoch unĂŒbersehbar. Ein besonders prĂ€gnantes Beispiel zeigt eine Umfrage
des Bundesamtes fĂŒr Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Die Risiken
im Zusammenhang mit Terrorangriffen werden viel höher eingeschÀtzt als die
Alltagsrisiken des Hackings (Bundesamt fĂŒr die Sicherheit in der Informations-
technik 2011). Das BSI warnt regelmĂ€Ăig vor Desinteresse, Ăberforderung und
sorglosem Handeln in der digitalen Welt (www.bsi.bund.de).
1.4.1 Von rationaler Ignoranz und anderen Paradoxien:
Nutzerverhalten jenseits der Idealtypen
Die Geschichte stand zuerst in der New York Times (Duhigg 2012): Ein Vater
beschwerte sich wĂŒtend beim Manager eines Supermarkts der Target-Kette in
der NĂ€he von Minneapolis. Target habe seiner Tochter Coupons fĂŒr Schwanger-
schaftskleidung und Babyprodukte zugeschickt, seine Tochter gehe aber noch zur
High-School, âwollen Sie sie ermutigen, schwanger zu werden?âAber tatsĂ€chlich
erwartete seine Tochter ein Kind, wie er kurze Zeit spÀter einrÀumen musste. Tar-
get hatte das allein aus dem jĂŒngsten Einkauf der Tochter geschlossen. Denn dar-
unter waren einige Artikel, die auf der Liste von 25 Produkten standen, die Target
als Basis fĂŒr ein âSchwangerschaftsvorhersage-Modellâ dienen. Das sind jeweils
fĂŒr sich unverdĂ€chtige Artikel, aber wenn eine Frau auf einmal beginnt, gröĂere
Mengen unparfĂŒmierter Seife oder Watte zu kaufen oder NahrungsergĂ€nzungen
wie Kalzium, Magnesium und Zink, errechnet eine Software von Target daraus
die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft und das Datum der Niederkunft â
Daten, die fĂŒr das Marketing wichtig sind, weil in dieser Phase die Bereitschaft
der Kundinnen, neue Produkte zu nutzen, zunimmt.
Ein Fall, der beispielhaft steht fĂŒr Predictive Analytics mittels Big Data.
Durch ihr alltÀgliches Verhalten, also Einkaufen, Kommunikation mit Familien-
angehörigen oder Freunden, Lesen von Nachrichten oder E-Books, Hören von
Musik, Tanken, E-Mails, Teilen von Fotos in den Sozialen Medien, geben die
Menschen persönliche Informationen freiwillig bewusst oder unbewusst preis.
Sie sprechen quasi ĂŒber alles mit Sprachassistenten wie Alexa, deren Anthropo-
morphismus so dosiert ist, dass die Vermenschlichung als angenehm und nicht
bedrohlich empfunden wird. âSie kontrollieren zwar selbst den Informationsfluss,
aber realisieren nicht, dass sich aufgrund der Verarbeitung dieser persönlichen
Informationen neue Informationen ergeben, die sie nicht kontrollieren könnenâ
(Mai 2016, S. 192).
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207