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An mulier sit capax imperii?
Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin
Hat sich das frühneuzeitliche Reichsstaatsrecht überhaupt mit der Frage befasst, welche
Rolle die Kaiserin im Reich und für das Reich spielte? Weder die rechtshistorisch orien-
tierte Forschung noch Studien zur Geschichte des Reiches in der Frühen Neuzeit geben
darüber wirklich Auskunft. Zwar war die sogenannte Reichspublizistik bzw. das Ius publi-
cum, das sich im Heiligen Römischen Reich um 1600 konstituierte, durchaus Gegenstand
der Forschung1. Mit einzelnen Vertretern der Reichspublizistik und deren Entwicklung
haben sich Historiker wie Rechtshistoriker eingehend beschäftigt. Es scheint aber nicht
so, als ob sich dabei die Frage nach der Kaiserin und ihrem Platz in der Reichsverfassung
jemals gestellt hätte. Das ist insofern wenig verwunderlich, als die staats- und verfassungs-
historische Forschung allgemein lange weitgehend ohne Geschlecht als Strukturkategorie
ausgekommen ist2. Die folgenden Darlegungen können angesichts dieser Forschungslage
nicht den Anspruch erheben, eine abschließende Darstellung zu geben. Ziel ist es jedoch,
der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die bislang herrschende Unkenntnis zur Rolle
der Kaiserin im Reichsverfassungsrecht tatsächlich aus dem Fehlen der Kaiserin in der
ausufernden, alles in allem Tausende von Titeln zählenden juristischen Debatte resultiert.
Angesichts des Gesamtumfangs der Publizistik stellte sich dafür freilich die Frage, wie
man ein aussagekräftiges Sample auswählen und zusammenstellen könnte. Hier wurde
dazu von reichspublizistischen Referenzwerken der Spätzeit3 ausgegangen, die ihrerseits
auf Referenzwerke verweisen, die wiederum zu weiteren Erwähnungen in unterschied-
lichen juristischen Debatten führten. Auf diese Weise entstand schließlich eine Auswahl
von etwa 100 Titeln4, in denen zur Kaiserin mehr oder weniger ausführliche Erörterungen
enthalten sind – damit ist zunächst einmal festzuhalten, dass die verfassungsrechtliche Stel-
lung der Kaiserin durchaus ein Thema der Reichspublizistik war. Ausgehend von dieser
Materialgrundlage sollen nun Konturen des Bildes nachgezeichnet werden, das dort bis ins
ausgehende 18. Jahrhundert hinsichtlich der Rolle der Kaiserin entwickelt wurde.
1 Zum Begriff Ottmann, Geschichte des politischen Denkens, 385f.; Hoke, Reichspublizistik,
720f.; Weber, Reichspublizistik, 940–942; Überblicksdarstellungen: Gross, Empire; Stolleis,
Reichspublizistik.
2 Opitz, Bodin, 11.
3 Moser, Neues Teutsches Staatsrecht; Pütter, Elementa.
4 Die Auflistung der benutzten Werke befindet sich im Anhang.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427