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68 Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit
Frage stehen, wie die Krönungen das Verhältnis von Kaiserin und Reich reflektierten. Da-
bei wird davon ausgegangen, dass auch in der Kaiserinnenkrönung Elemente der Reichs-
verfassung realisiert wurden. Dazu zählten etwa das Recht des Kaisers, seine Gemahlin
krönen zu lassen, das Krönungsrecht des Konsekrators sowie die Rechte von Kurfürsten
und Inhabern von Erzämtern des Kaisers wie der Kaiserin, im Ritual in Erscheinung zu
treten. Gleiches gilt fĂĽr die angesprochenen Elemente symbolischer Ordnungsstiftung wie
den Zug in die Kirche, die Sitzordnung ebendort sowie beim Mahl usw.
Um diesen verschiedenen Dimensionen und damit der Frage nach der Weiterentwick-
lung der Krönungstradition für Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit nachgehen zu kön-
nen, sind mehrere Aspekte zu behandeln. Zuerst soll es um die Krönung als Ritualsequenz
selbst gehen, indem vor dem Hintergrund mittelalterlicher Traditionen nach dem genauen
Ablauf gefragt wird. Dadurch werden Akteure des Rituals ebenso in den Blick genom-
men wie symbolische Dimensionen und neben dem Bezugsrahmen Reich bzw. kaiserliche
Herrschaft auch die rituelle Umsetzung der Geschlechterordnung angesprochen. In einem
zweiten, umfangreicheren Teil wird dann die Funktionalität von Kaiserinnenkrönungen
im konkreten politischen Umfeld wie als AuffĂĽhrung des Reiches zu beschreiben und ge-
nauer nach dem Verhältnis von Tradition und Wandel zu fragen sein.
Der rituelle Ablauf
Traditionen: Die Krönung im Mittelalter
Schon seit den Anfängen der karolingischen Kaiserherrschaft können immer wieder Krö-
nungen von Kaiserinnen nachgewiesen werden – im Heiligen Römischen Reich zuerst für
Adelheid von Burgund, die Gemahlin Ottos I., die ebenso wie dieser selbst 962 in Rom
gekrönt wurde17. Für diesen Akt ist auch der erste Ordo fixiert worden; wie alle mittel-
alterlichen Ordines enthält er im Wesentlichen die Gebete, die während der wichtigsten
Schritte im Ritual für die Königin bzw. Kaiserin gesprochen wurden18. Ihr Wortlaut wies
bis ins 15. Jahrhundert nur geringfĂĽgige inhaltliche Modifikationen auf, wie nicht zuletzt
der spätmittelalterliche Ordo aus der Zeit um 1325 dokumentiert19.
In diesen Weihegebeten spielten BezĂĽge zu alttestamentarischen Frauengestalten
als Verkörperungen von Tugenden eine große Rolle: Judith stand für Tapferkeit, die die
17 Fößel, Königin, 19; Zey, Imperatrix, 5–17; Hartmann, Königin.
18 Zey, Imperatrix, 26–28; Stollberg-Rilinger, Ritual, 97f. Der Ordo bei Elze, Ordines, 6–9.
19 So (im Unterschied zu Fößel und älterer Literatur) Büttner, Weg zur Krone, 152. Der Wortlaut
siehe Elze, Ordines, 122–124; Pertz, Constitutiones, 390–392.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427