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284 Handlungsfelder
Insignien160 aufgerufen wurde. Höchst unwahrscheinlich ist es, dass es die Vielzahl dieser
„einfachen“ Leute war, über deren Andrang Kaiserin-Witwe Eleonora Gonzaga 1648 Klage
geführt hatte, weil sie sich von Bittstellern überlaufen sah, die ihr keine Ruhe ließen161. Ver-
mutlich waren damit eher Personen höheren Standes gemeint, die Möglichkeiten suchten
– und offenbar auch fanden – die Kaiserin direkt oder durch Übergabe einer Supplik als
Fürbitterin anzusprechen. Die Ansuchen der „einfachen“ Leute landeten wohl eher – wie
im Falle von Kaiserin Maria Anna – direkt beim Obersthofmeister, in dessen Nachlass sie
heute im Archiv zu finden sind. In Vertretung der Kaiserin kam dieser mit kleinen Zahlun-
gen, meist 30 Kreuzer oder einem Gulden, der fürstlichen Pflicht zur Wohltätigkeit nach.
Am Beispiel des Briefregisters für Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg und der
Suppliken lassen sich damit Charakteristika der Frequenz, der inhaltlichen Schwerpunkte
und der personellen Aspekte von Aktivitäten einer Kaiserin als Fürbitterin zumindest für
einen bestimmten Zeitraum einigermaßen beschreiben. Ein ähnliches Bild ergibt sich im
Übrigen auch für Königin bzw. Kaiserin Wilhelmine Amalie von Braunschweig für die
Jahre 1699 bis 1708162. Aber selbstverständlich wurden auch andere Habsburgerinnen als
Fürbitterinnen angesprochen bzw. intervenierten ihrerseits in den verschiedensten auf das
Reich bezogenen Kontexten. Der jeweils kurze Blick auf einige solche Beispiele soll nun
das Bild von der Kaiserin als Fürbitterin ebenso wie vom Ablauf solcher Interventionen
differenzieren und erweitern.
Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele
Am Beispiel der Korrespondenz zwischen Kaiserin Maria de Austria, der Gemahlin Ma-
ximilians II., und Kurfürstin Anna von Sachsen in den 1570er und 1580er Jahren lässt sich
nicht nur zeigen, wie eine Verbindung zur Kaiserin angebahnt und von weiteren Korres-
pondenzbeziehungen flankiert werden konnte163. Über weite Strecken stellte der Briefwech-
sel der beiden Damen den Austausch von mehr oder weniger ausführlichen Grußbriefen
dar, der von Seiten der Kurfürstin durch Geschenke, in erster Linie Heilmittel für Maria
selbst oder den Kaiser sowie eingemachte Früchte164, ergänzt und erweitert wurde. Dass da-
160 Pontificale Romanum 1595, 172f.
161 Siehe Hengerer, Kaiserhof, 271, Fn. 996. Zur Supplikationspraxis am kaiserlichen Hof im
18. Jahrhundert siehe Stollberg-Rilinger, Maria Theresia, 332–342.
162 HHStA, Familienkorrespondenz A 33.
163 Keller, Pouvoir de lettres; Dies., Kurfürstin, 195–199. Zum größeren Teil befindet sich diese Kor-
respondenz zusammengefasst in HStAD, Geheimes Archiv, Loc. 8538/9 (1575–1585).
164 Zur Rolle individualisierter Geschenke siehe Bischoff, Presents, 40.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427