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Kaiserin und Reich: Einleitung
„Wahrhaffter und Eigentlicher Abriß“ des Einzugs Kaiser Ferdinands II., so überschrieb
1623 der Verleger und Kupferstecher Wilhelm Peter Zimmermann seine großformatige
Abbildung, auf der er den Einzug des Kaisers in Regensburg darstellte und die er an ein
zahlendes Publikum zu bringen hoffte. Betrachtet man die Darstellung jedoch genauer, so
sieht man im Bildvordergrund im Zug kurz nach dem unter einem Baldachin reitenden
Kaiser zwei Kutschen. In diesen sitzen – was die Ankündigung keinesfalls vermuten ließe
– mehrere Frauen: Der Kaiser wurde nicht nur von seinem ältesten Sohn Ferdinand be-
gleitet, sondern ebenso von seiner Gemahlin Eleonora Gonzaga und deren Hoffräulein,
die in vier Kutschen der der Kaiserin folgten. Festgehalten wurde der Einzug im Übrigen
auch auf einer Gedenkmedaille, die auf einer Seite den Kaiser zu Pferd, auf der anderen
Seite Ferdinand und Eleonora im Profil zeigt, dazu den Adler als Symbol des Reiches und
eine Weltkugel1. Dass die Anwesenheit der Kaiserin im Titel des Kupferstiches nicht er-
wähnt wird, darf dabei als typisch gelten2, wird doch das Verhältnis von Kaiser und Reich,
die Entwicklung des Heiligen Römischen Reiches in der Frühen Neuzeit in der zeitgenös-
sischen wie in der wissenschaftlichen Literatur traditionell als ausschließlich männliche
Angelegenheit beschrieben. Fast drängt sich der Leserin frei nach Bertolt Brecht die Frage
auf: Hatten sie nicht wenigstens eine Frau dabei?
Wie die Abbildung zeigt, war das durchaus der Fall: Wenn der Kaiser aus den habs-
burgischen Erblanden „ins Reich“3 zog, wurde er in der Mehrzahl der Fälle sehr wohl von
seiner Gemahlin bzw. seinen Töchtern und etlichen Frauen in deren Gefolge begleitet.
Auch hohe Amtsträger des Hofes reisten häufig in Begleitung ihrer Gemahlinnen, ebenso
wie Fürsten und Grafen des Reiches, wenn sie Reichsversammlungen besuchten. Nun
sagt allein die Anwesenheit von Frauen adligen und fürstlichen Standes bei Reichs- oder
Fürstentagen, bei Krönungen und Fürstentreffen noch nichts über ihre Rolle im Heili-
gen Römischen Reich aus. Die ältere reichsgeschichtliche Forschung, die bis in die 1990er
Jahre stark institutionengeschichtlich und auf „große“ Politik in einem in der Tradition
1 Joist/Kamp, Einzug 1622, 159f.; eine Gedenkmedaille hatte es auch schon 1613 aus Anlass des Ein-
zuges von Kaiser Matthias und Kaiserin Anna in Regensburg gegeben, siehe Joist/Kamp, Einzug
1613, 155f.
2 Siehe etwa auch den Kupferstich Melchior Küsels für den Einzug in Frankfurt 1652: Deß Aller-
durchleuchtigisten / Großmächtigisten Fürsten vnd Herren / Herren Ferdinandi diß Namens deß
Dritten … Einzug. Hier zog die Kaiserin mit dem Kaiser in einem Wagen sitzend in die Stadt ein.
3 Zur allmählich sich verstärkenden Auffassung einer Dichotomie zwischen Erblanden und Reich
siehe etwa Winkelbauer, Separation and Symbiosis.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427