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Handlungsfelder
Frühneuzeitliche Staatlichkeit war generell von einem Spannungsverhältnis zwischen insti-
tutionalisierten Strukturen, wie sie sich seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert im Heiligen
Römischen Reich und in seinen Territorien allmählich ausprägten, und einer stark auf die
Kommunikation zwischen Anwesenden orientierten Herrschaftspraxis gekennzeichnet. In
der reichsgeschichtlichen Forschung ist allerdings lange vorrangig die Frage der Staatlich-
keit und ihrer Institutionen diskutiert und untersucht worden. Zuletzt wurde aber die An-
wendung von Konzepten von Staatlichkeit auf das Reich problematisiert und die Relevanz
von Ritualen und Zeremoniell sowie von direkter Interaktion zwischen den „Gliedern“
des Reiches hervorgehoben1. Beide Zugänge haben in den bisherigen Ausführungen be-
reits eine Rolle gespielt, indem staatsrechtliche Positionen zur Kaiserin dargestellt wurden
ebenso wie die Funktion der Kaiserinnenkrönung als Aufführung des Reiches. Mit dem
Überblick zur medialen Präsenz der Kaiserin konnte sie zudem innerhalb des Reiches als
kommunikativem Zusammenhang verortet und so verdeutlicht werden, dass die Bericht-
erstattung über die Kaiserin einen integralen Bestandteil medialer Diskurse zum Verhältnis
von Kaiser und Reich darstellte. Die Relevanz dynastischer Ereignisse in der medialen
Wahrnehmung der Kaiserin, also von Hochzeiten, Geburten und Todesfällen, hat dabei
bereits auf eine weitere Dimension des Heiligen Römischen Reiches verwiesen:
Ungeachtet seines Status‘ als Wahlreich, den nicht zuletzt die Kurfürsten als Königs-
wähler eifersüchtig verteidigten, blieb das Kaisertum für breitere Bevölkerungsgruppen
sichtlich dynastisch geprägt2. Während die Institutionen des Heiligen Römischen Reiches
der Kaiserin als Frau und aufgrund ihrer reichsstaatsrechtlichen Position kaum Handlungs-
möglichkeiten boten, das Krönungsritual ihre sakrale Stellung hervorhob, aber zugleich der
Darstellung und Verortung der Reichsstände diente, standen der Kaiserin als Fürstin im
Rahmen dynastischer Herrschaft durchaus eigenständige Spielräume zu Gebote.
Für alle Mitglieder frühneuzeitlicher Herrscherhäuser, Männer wie Frauen, war die
Dynastie Quelle legitimen herrschaftlich-politischen Handelns3. Deren Mitglied war die
Fürstin zum einen und in erster Linie als Ehefrau, ebenso aber als Tochter oder Schwester
1 Überblicke zuletzt etwa bei Bretschneider/Duhamelle, Saint-Empire; Schnettger, Kaiser
und Reich, 330–338; als wichtige Gesamtdarstellungen für beide Forschungsrichtungen: Schmidt,
Altes Reich; Stollberg-Rilinger, Des Kaisers Kleider.
2 Wilson, Heart of Europe, 424.
3 Die folgenden Ausführungen fassen zusammen: Keller, Frauen und dynastische Herrschaft, bes.
20–23, sowie Dies., Mittel einer Frau, und Dies., Frauen-Hof-Diplomatie.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427