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Wie wird man Kaiserin? 29
Inhalten der Hinweise und Darstellungen zu, so wird deutlich, dass in mindestens zwei
zentralen Debatten der frĂĽhen Reichspublizistik die Kaiserin durchaus eine Rolle spielte.
Diese sollen Gegenstand folgender Abschnitte sein. Zuerst jedoch ist eine in den systema-
tischen Darstellungen der Reichspublizistik regelmäßig angesprochene Frage zu beantwor-
ten: Was ist eine Kaiserin und wie wird man Kaiserin?
Wie wird man Kaiserin?
In der Beantwortung dieser Frage herrschte unter den Reichsjuristen Einigkeit: Kaiserin
war jeweils die rechtmäßige Gemahlin des Kaisers; die Basis ihres Ranges wie ihrer Pri-
vilegien, unter denen der Titel eines der wichtigsten darstellte, war eine dynastische: die
Ehe mit dem Kaiser. Dies hatte schon der aus dem 16. Jahrhundert stammende „Catalo-
gus Gloriae Mundi“ des Barthelémy de Chasseneuz festgehalten44, dies formulierte bei-
spielsweise 1688 Gottfried Strauss unter Bezug auf Chasseneuz: „Augusta est Imperatoris
Romano Germanici Conjux, ex Illustri Germanicam & Christianam Familiam orta, ac
in eximiam Dignitate constitutam variisque Juribus ac privilegiis exornatà .“45 Und auch
Jakob Karl Spener hielt 1727 entsprechend fest: „Diese ist eine mit dem Käyser / als Reichs-
Haupt, vermählte Fürstin, welcher, in Ansehung dieser Vermählung, eine besondere Ho-
heit, nebst unterschiedenen VorzĂĽgen und Rechten, in des Reichs Herkommen und Ge-
setzen beygeleget worden.“46
An diesem Grundsatz bestand unter den Juristen der Frühen Neuzeit keinerlei Zweifel –
im Gegensatz zu Historikern des 20. Jahrhunderts, die gerade in Bezug auf Maria Theresia
immer wieder postuliert haben, sie sei nie Kaiserin gewesen47, weil sie 1745 die Krönung im
Reich verweigerte. Ein Blick in die Texte zum Reichsverfassungsrecht aber belegt eindeutig:
Kaiserin war jeweils die Gemahlin des Kaisers bzw. die Witwe seines Vorgängers, und frau
wurde Kaiserin ausschließlich durch Heirat48. Ob die Kaiserin gekrönt war, blieb dabei
unwesentlich – zwar konnte der Kaiser seiner Gemahlin diese Ehre zugestehen, wenn er es
wollte, aber an ihren Privilegien oder ihrem Rang änderte es nichts, wenn sie, wie etliche
Kaiserinnen des Mittelalters und der Neuzeit, keine Krönung im Reich erlebte. Darüber
waren sich die Reichspublizisten einig, wie die folgenden ausgewählten Zitate belegen:
44 Chasseneuz, Catalogus Gloriae Mundi, 258. Zu mittelalterlichen Traditionen bes. der Titulatur
siehe Fössel, Königin, 50–66.
45 Strauss, De iuribus Augustae competentibus, Kap. I § 10.
46 Spener, Teutsches Iuris Publici, 204f.
47 Z. B. Tapié, Maria Theresia, 81f.; siehe auch Keller, Kaiserin, 59f.
48 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers Kleider, 190.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427